TITANIC-WORLD
einmal ansprechen, als Pat den Kopf dem Modell zu wandte. „Nein“, flüsterte sie. „Nein. Das kann nicht sein.“
Vor ihr lag die TITANIC stolz und aufrecht im Wasser – bereit ihre Reise über den nächtlichen Atlantik unversehrt und für immer fortzusetzen.
Sie schüttelte ein paar Mal den Kopf und sah ihn dann flehentlich an. „Die Menschen“, schluchzte sie, „die Menschen. Ich konnte ihnen nicht helfen. Ich sah sie fallen …“ Sie konnte nicht weitersprechen und fing an zu weinen.
Joe legte einen Arm um sie und führte sie zurück in die Überwachungszentrale. Nebenden Umkleidekabinen befand sich ein kleiner Ruheraum mit einer Liege. Er ließ seine Kollegin auf die Couch gleiten und breitete eine Decke über sie. Dann rief er nach Sammy und bat ihn, eine Tasse Tee für Pat zu kochen und Artie von Peter vor den Monitoren ablösen zu lassen. Als der Tee gebracht war, sah er erleichtert, dass sie sich offensichtlich wieder etwas beruhigt hatte, denn sie weinte nicht mehr.
„Was ist los, Joe?“ Artie kam herein und schloss leise die Tür. „Was ist mit Pat passiert?“
Doch Joe konnte nur den Kopf schütteln. Er half seiner Kollegin sich aufzusetzen und einen Schluck Tee zu trinken. „Geht’s wieder, Mädchen?“ Er sah sie forschend an. Pat nickte matt. Dann sagte sie leise: „Oh, Gott! Oh, mein Gott! Bin ich verrückt?“ Sie legte beide Hände an die Schläfen und sah Joe mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck an.
„Warum erzählst du Artie und mir nicht einfach was passiert ist?“ Sie schüttelte wieder den Kopf und flüsterte mit tonloser Stimme: „Ich kann nicht. Ihr werdet mich für wahnsinnig halten.“
„Niemand hält dich für wahnsinnig, Pat“, beruhigte Joe sie. „Wir kennen dich doch, aber wir machen uns Sorgen. Irgendetwas hat dich mächtig erschreckt und ich würde gerne wissen, was es war.“
Pat sah ihren Chef an. Dann trank sie noch einmal von dem Tee und begann stockend zu erzählen. Als sie geendet hatte, blieb es längere Zeit still. Joe starrte reglos auf einen Punkt an der Wand und Artie betrachtete angelegentlich seine Schuhspitzen. Pats Gesicht verzog sich schmerzlich, als sie die Stille durchbrach und sagte: „Ihr glaubt mir nicht, oder? Ihr denkt ich bin verrückt! Aber ich schwöre euch, es ist die Wahrheit!“
„Pat.“ Joe nahm ihre eiskalten Hände in die Seinen und sprach ruhig weiter: „Ich glaube dir und ich bin sicher, dass Artie dir auch glaubt. Wir wissen, dass du die Geschichte nicht einfach erfunden hast, okay?“ Sie nickte schwach und er fuhr fort: „ Aber du weißt auch, dass das, was du zu sehen geglaubt hast, sich nicht in Wirklichkeit ereignet hat.“ Er sah sie aufmerksam an. Erst als Pat zögerlich nickte, sprach er weiter: „Du weißt, wie unheimlich die Decks in der Nacht wirken, weil die tragische Geschichte der TITANIC überall gegenwärtig ist und man auf jedem Deck, ganz gleich in welcher Form, mit den Opfern der Katastrophe konfrontiert wird. Da spielt einem die Phantasie ganz fix mal einen Streich.“ Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen und Joe streichelte beruhigend ihre Hand, als er weitersprach: „Sieh‘ mal. Heute, beziehungsweise gestern, war der 100. Jahrestag des Unglücks und du hast ein Stück der Rede gehört, die Cecilia zum Gedenken gehalten hat. Du hast selbst gesagt, dass der Teil dich besonders berührt hat, in dem sie über die Passagiere der dritten Klasse sprach, die gefangen im Bauch des Schiffes, ihrem Schicksal nicht entrinnen konnten und welche Ängste ihren qualvollen Tod begleitet haben. Als du dann an dem Modell vorbei kamst und auf die Uhr gesehen hast, da fiel dir auf, dass genau zur gleichen Zeit vor hundert Jahren die TITANIC untergegangen ist. Und dann hat dir dein Unterbewusstsein, wie ich schon sagte, einen markaberen Streich gespielt.“
Pat wandte sich an Artie: „Hast du denn nichts gesehen? Ich meine, auf demBildschirm?“ Artie schüttelte bedauernd den Kopf und berichtete, dass ihm zwar aufgefallen wäre, wie sie längere Zeit vor dem Modell gestanden hätte und dann, plötzlich gegen die Wand getaumelt sei. Als sie auf seine wiederholten Fragen über die Headphones nicht reagierte, da hätte er sich Sorgen gemacht und Joe gebeten nachzusehen.
„Aber das Modell, Artie. Hast du denn nicht gesehen, wie …“ Pat brach hilflos ab. Wieder schüttelte er den Kopf. „Nein, tut mir Leid. Da war nichts.“ Als er sah, dass seine Kollegin wieder nahe daran war in Tränen
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