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Titanus

Titanus

Titel: Titanus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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Nasarow in seine Absicht eingeweiht? – Weil er glaubte, die Expedition wäre verloren, und weil er unbedingt noch die Menschen warnen wollte!
    Weshalb war er Canterville nicht ins Wort gefallen und hatte nicht hinausgeschrien, daß er doch nicht gegen, sondern für das Interesse der Menschen handelte? – Weil er dann von Australien hätte erzählen müssen – konnte er das aber vor allen Leuten? – Konnte? Er mußte es! Wie wollte er sich anders von dieser Last befreien?
    Wenn er neu beginnen wollte, mußte er das Netz der falschen Handlungen, in das er sich verstrickt hatte, mit einem Ruck zerreißen, vorbehaltlos bekennen, was ihn bedrückte, damit er künftig nicht mehr gezwungen war, zu schweigen und alles mit sich allein abzumachen. Das war es ja, was ihn isolierte. Die andern trugen alles gemeinsam, holten sich Rat beieinander und Kraft. Ja, ihre Zusammengehörigkeit ging so weit, daß sie füreinander starben. Wenn aber diese Gemeinschaft und die Weltanschauung, auf die sie sich gründete, zu solchen Taten befähigen, waren sie dann nicht unbesiegbar? Mußten sie dann auf der Erde nicht mit den Geschwüren der menschlichen Entwicklung fertig geworden sein, mußten sie dann nicht heute noch bestehen, ungeschwächt, ja stärker als zuvor?
    Er wollte teilhaben daran, wollte ein Teil dieser Gemeinschaft werden.
Warnt die Brüder, hatte Jansen gesagt – selbst in seiner letzten Stunde hatte er nicht an sich gedacht und war gestorben, weil er nicht an einem Verbrechen mitschuldig werden wollte.
Er aber, Stafford, hatte geschwiegen, auf der Erde und auf dem Titanus. Er hatte damals bei den Verbrechern auf Menschlichkeit gehofft und sich in den Raum abschieben lassen, als ginge ihn die Bedrohung der Menschheit nichts an. Was hätte Jansen an seiner Stelle getan? Gewiß hätte er im Werk zum Widerstand aufgerufen, hätte die ganze Welt mobilisiert, hätte sich womöglich mit dem Werk in die Luft gesprengt. Er aber hatte nicht einmal gewarnt…
Und ihn hatte Jansen als Nachfolger vorgeschlagen – ihn! Wie hatte sich Jansen doch in ihm getäuscht!
Hätte er den Mut gehabt, wie Jansen zu handeln? Aber das war wohl weniger bewußter Mut als Überzeugung, als Einsicht in die Notwendigkeit, sich opfern zu müssen, um andere zu erhalten. Es war wohl lebendiges, zutiefst empfundenes Zusammengehörigkeitsgefühl!
Er hatte mitgeholfen, ein Wasserstoffbombenarsenal anzulegen. Bomben, die tausendmal so wirksam waren wie die auf Hiroshima abgeworfene, wirksam wie zwanzig Millionen Tonnen höchstexplosiblen Sprengstoffs. Überdies waren die Sprengköpfe in Kobalt eingekleidet. Bei der Explosion entstand Kobaltstaub, von dem ein Gramm so stark strahlte wie eine Tonne Radium. Ein Sprengkopf mit sieben Tonnen Kobalt ergab Staub mit einer Strahlung wie von sieben Millionen Tonnen Radium, giftig wie sieben Millionen Tonnen Strychnin!
Nach fünf Jahren und einhundertzehn Tagen verlor der Kobaltstaub erst die Hälfte seiner Wirkung. Dazu kam die Strahlung der Explosion – wie von Milliarden Tonnen Radium – und der radioaktive Staub des verdampften Gesteins.
Stafford preßte die Hände gegen den Kopf. Welch unermeßliches Leid verbarg sich hinter diesen nüchternen Zahlen. Wie groß war die Schuld desjenigen, der dazu schwieg!
Eine Hand legte sich auf seine Stirn. Stafford öffnete ungläubig die Augen. Doktor Sandrino, der neben ihm gelegen hatte, beugte sich über ihn.
»Sie stöhnen? Ist Ihnen nicht gut, Kollege Stafford?«
»Das Schweigen, Doktor…«, stammelte Stafford.
Sandrino nickte ernst. »Ja, das Schweigen zerrt an den Nerven. Aber ob sie es wagen? Noch ist nichts zu sehen.«
Er wies mit dem Kopf nach dem Bildschirm und schnallte sich wieder auf seiner Pritsche fest. Es mußte mit einer neuen Beschleunigung gerechnet werden – der Alarm war noch nicht aufgehoben. Stafford konnte den Blick nicht mehr vom Schirm lösen.
Einer der Ausschnitte vergrößerte sich, als flöge die Kamera auf den Titanus zu. Die Ränder des erfaßten Gebietes liefen aus dem Rahmen des Schirms, der Mittelpunkt raste heran, wurde größer, deutlicher…
Stafford erkannte einen Talkessel, dessen gelber Laubteppich von nackten Felsen umsäumt wurde.
Er stöhnte auf und verkrallte seine Hand in Sandrinos Ärmel. »Da, Doktor, da!«
Ein Feuerschweif fuhr aus dem Tal, er hing an einem silberblitzenden Punkt. Gewaltige Staubwolken wirbelten auf, wallten wie die Blätter einer fremdartigen Blüte, aus der wie Samenkapseln ständig neue Perlen fuhren.

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