Titanus
Schweiß, er warf sich herum und phantasierte. Das Gesicht war so entstellt, daß man ihn nicht wiedererkannte: auf seiner Wange war ein blaugrüner Fleck!
Stafford stürzte aus dem Zimmer und jagte über den Gang. Kisi! Ein Arzt mußte bestellt werden! Aber wenn er klopfte – hörte Kisi das Geräusch?
Schon sprang er die Treppe hinunter. Es war eine Wendeltreppe, sie mündete in einem runden Vorraum, von dem mehrere Zimmer abgingen. In den Nischen zwischen den Türen standen Blumen. Welche Tür war die richtige? Doch dort, in der Nische – ein Sprachwandler!
Stafford zog ihn heraus und schrie ins Mikrofon.
»Genosse Kisi!«
Drei Türen öffneten sich. Kisi, Ursu und Fanor sahen heraus, erblickten den Menschen, der so angstvoll lärmte, und traten heran.
»Schnell, kommen Sie! Zu Genossen Romain!« rief Stafford, ehe sie etwas fragen konnten, und stürmte wieder die Treppe hinauf.
Kisi fühlte Romain den Puls.
»Fanor, schnell einen Wagen! Und den Genossen Romain zum Flugplatz! Unsere Maschine fliegt sofort zur Hauptstadt. Ursu, mach dich bitte fertig, du fliegst mit. Ich setze mich mit dem Präsidenten in Verbindung. Es wird gut sein, den Genossen zu Silona zu bringen; der irdische Arzt ist bei ihr.«
Staffords Angst um Romain verlor sich, als er Kisis zielbewußte Anordnungen hörte. Sie würden alles tun, was möglich war.
»Wer ist Silona?« fragte er Kisi.
»Silona ist Mitglied des Rates, verantwortlich für unser Gesundheitswesen, Leiterin unseres führenden Krankenhauses und – eine sehr kluge Frau!«
Fahle Morgendämmerung stahl sich ins Zimmer. Der Regen hatte nachgelassen.
Das Krankenhaus lag außerhalb der Stadt inmitten eines großen Parkes. Gepflegte Anlagen, Wasserspiele und Blumenrabatten, saubere Wege, zierliche Brücken über kleine Bäche, kleine Seen – alles war dazu bestimmt, den Kranken ihren Aufenthalt angenehm zu machen und ihre Lebensfreude zu erhöhen. Die verschiedenen Kliniken, Terrassenbauten in weichen Farben, die sich kaum von den Häusern der Städte unterschieden, lagen verstreut. Die Terrassen waren mit bettähnlichen weißen Liegegestellen besetzt.
Silona und Sandrino hatten die frühe Morgenstunde zu einem ausgiebigen Bummel durch den Park genützt. Jeden Morgen brachen sie – wenn schönes Wetter war – zeitig auf und gingen das letzte Stück zu Fuß durch den Park.
»Dieser Weg ist immer viel zu schnell zu Ende«, sagte Sandrino, als die Klinik durch die Farnwedel der Sträucher schimmerte.
»Noch müde, Massimo?« fragte Silona.
Er schüttelte den Kopf. »Nicht doch! Aber die Spaziergänge mit dir könnten länger sein.«
»Wenn es dir Vergnügen macht, können wir doch abends gehen! Ich könnte dir unsern Park zeigen, wenn im Dämmerlicht die Blüten der Sogane leuchten. Habt ihr auch Sogane, Büsche mit leuchtenden Blüten? Oder wir könnten baden gehen, draußen am See. Magst du?«
»Und ob ich mag! Ich freue mich darauf.«
»Ich auch«, sagte sie einfach. »Gehen wir gleich, von hier aus.«
»Ich muß nur noch meinen Badeanzug holen.«
Sie war verwundert. »Geht ihr denn mit Anzügen ins Wasser?«
Er strich spielerisch über einen Zweig. Was sollte er erwidern? Wenn man auf dem Planeten so natürlich war, dann mußte dieses menschliche Requisit komisch wirken.
»Es sind nicht unsere üblichen Anzüge, sondern leichte Kleidungsstücke…«
»Du kannst so gehen«, sagte sie. »Wir verlieren sonst zuviel Zeit. Der See ist…« Sie stutzte. »Komm, wir müssen uns beeilen, man winkt uns!«
Sandrino sah auf. Sie waren dem Gebäude auf Rufweite nahe gekommen. Auf der flachen Treppe vor dem Eingang stand eine Schwester. Offensichtlich rief sie etwas, doch sie waren noch zu weit entfernt, so daß der Sprachwandler schwieg.
»Ich komme!« Silona drückte flüchtig Sandrinos Arm und eilte davon.
Schon im Laufen, rief sie zurück, daß er im Sprechzimmer des ersten Stocks auf sie warten solle.
Sandrino sah ihr frohgestimmt nach, wie sie leichtfüßig die Treppe emporstieg. Sie gefiel ihm immer besser. Nichts Gekünsteltes, nichts Kompliziertes – sie war klar und einfach. Es war ein Vergnügen, mit ihr zu arbeiten.
Er wartete im Sprechzimmer, das sich von den irdischen wenig unterschied. Da der Körper der Titanen fast ebenso gebaut war wie der Menschenkörper, waren die chirurgischen Instrumente auf dem Titanus ähnlich konstruiert wie auf der Erde. Elektrische Sonden, Skalpelle und Scheren unterschieden sich lediglich durch andere, der titanischen Klauenhand angepaßte
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