Titanus
Forschungsgruppen ein. Jede Gruppe erhielt ein anderes Aufgabengebiet. Die Geologen, Chemiker, Physiker, Biologen, Zoologen und Wirtschaftler begaben sich in die jeweiligen Fachinstitute, um die irdischen und die titanischen Erkenntnisse auszutauschen. Romain, Canterville und Stafford gehörten zu einer Besichtigungsgruppe. Nasarow studierte die Tätigkeit des Rates, und Doktor Sandrino wurde der führenden Klinik der »Stadt des Rates« – der titanischen Hauptstadt – zugeteilt.
Hier erlebte der Arzt eine neue Überraschung. Der titanische Fachmann, der ihn betreuen sollte, war eine Frau. Er erkannte in ihr das Mädchen wieder, das ihnen von der Terrasse aus zugewinkt hatte.
Silona, so nannte sie sich, trug nicht mehr die volkstümliche Tracht wie am Vorabend. Ihr Kleid war zwar immer noch farbenprächtig, hatte jedoch eine schlichte Form. Das Haar dagegen leuchtete jetzt in einem satten Kupferrot und hob sich wirkungsvoll von dem unruhigen Farbenspiel des Kleides ab. Es war mit einer hauchfeinen Filigranspange im Nacken gerafft.
Zwei große Augen blickten ihn an; halb fragend, halb schelmisch, wie ihm schien. Eine interessante Frau! »Ich glaube, wir kennen uns schon.«
»Gestern abend – auf der Galerie. Sie winkten…«, sagte er unsicher.
»Ich freute mich über die Sterne. – und entdeckte drei irdische Sonnen!« Sie lachte, er stimmte ein. Sie gefiel ihm, er freute sich auf die gemeinsame Arbeit.
»Wie heißen Sie?« fragte sie. »Doktor oder Sandrino? Mit welchem Namen muß ich Sie ansprechen?«
»Doktor ist ein Titel.«
»Was ist das?«
»Eine Würde, die von der Hochschule für eine
wissenschaftliche Arbeit verliehen wird«, erwiderte er. »Und Sandrino?«
Ein Gedanke durchfuhr ihn, er lächelte unmerklich. Zur
Expedition gehörten nur Männer!
»Sandrino ist der Name, mit dem mich die Männer rufen.« »Und wie werden Sie von Frauen genannt?«
»Frauen, mit denen ich befreundet bin, nennen mich Massimo und sagen nicht Sie, sondern du.«
»Massimo…«, wiederholte sie unsicher. »Richtig?«
Romain sah sich um. Alle beugten sich über die gewölbten Fenster und sahen gespannt nach unten, wo die titanische Landschaft dahinflog. In den Mienen spiegelte sich Bewunderung wider und wohl auch etwas Zuversicht, daß die Erde bei der Rückkehr der Kosmos in ähnlich umfassender Weise den Stempel vernunftvollen menschlichen Wirkens tragen würde.
Stafford stützte die Arme auf und lehnte sich über das schräge Fenster der Kabine.
Er war tief ins Schauen versunken.
Riesige Felder breiteten sich unter ihnen aus, wechselten mit Wäldern und Seen ab. Die Straßen, die am Rand der Stadt zur Erdoberfläche aufgestiegen waren, schwangen sich auf breite Betonbänder empor, die von schlanken Säulen hoch über die Wipfel der Bäume gehoben wurden. Auf diesen Fahrbahnen schossen elektronisch gesteuerte Kraftfahrzeuge dahin. Unter ihnen krochen automatische Maschinen zur Feldbearbeitung über das Land. Hin und wieder erhoben sich auf geschwungenen Säulen breite, von pilzartigen Glashauben überdachte Plattformen.
Stafford erwachte aus seiner Versunkenheit.
»Was sind das für Glaspilze?« fragte er Kisi, einen schlanken Burschen aus der titanischen Begleitung, und deutete nach unten.
»Sendetürme zur drahtlosen Energieübertragung für Industrie und Verkehr, für Funk und Fernsehen, Steuertürme für die Straßen und für die Feldmaschinen«, antwortete Kisi. »Aber was sind Pilze?«
Romain schmunzelte. Dieses Frage-und-Antwort-Spiel war nach seinem Geschmack. Es war eindringlicher als der beste Vortrag. Ihnen stand noch viel bevor. Noch fünfzehn Tage Besichtigungsreise über den Planeten!
»Weshalb dieser Aufwand? Weshalb Hochstraßen?« fragte Stafford.
»Der Aufwand ist geringer als bei Straßen auf dem Boden. Keine Erdbewegung, keine Gründung oder Packlagen, kein Ausschachten und kein Aufschütten an Unterführungen. Die Pfeiler werden nur verschieden hoch gezogen, schon läuft die eine Bahn unter der anderen hinweg«, erwiderte Kisi.
»Aber weshalb seid ihr in der Stadt unter die Erde gegangen?«
»Wir können so die Geschwindigkeit erhöhen, die Gefahr verringern und vermeiden, daß der Verkehrslärm den Städter belästigt.«
Romain versank in Gedanken.
Ob die Filme reichten, die die Gruppe mitführte? Zwar hatte er fünfzigtausend Meter mitnehmen lassen, aber wer konnte wissen, was alles aufgenommen werden mußte. Drei Genossen kurbelten ununterbrochen! Er entsann sich der verwunderten Mienen
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