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Titanus

Titanus

Titel: Titanus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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eine zweite Haut entgegenwarf. Erst jetzt bemerkte er unter dem keck zerzausten Pony, umspielt von dunklen Locken, ein Gesicht voller Widerspruch. Die Augen, die ihn halb fragend, halb belustigt anblickten, steckten voller Rätsel.
    Jansen musterte sie unsicher.
    »Jansen, Michael Jansen«, schrie er in das Brausen. »Von Beruf…«
    »Urlauber! Mir bekannt, Herr Kollege! Sonst wären Sie nicht hier. Jadwiga Swoboda, Urlauberin!« schrie sie zurück, ehe Jansen geendet hatte.
    »Irrtum, verehrte Kollegin – von Beruf Fremdenführer, wollte ich sagen! Bin zum dritten Mal auf der Insel, empfehle mich für Entdeckungsreisen!«
    Sie lachte, warf den Kopf in den Nacken und schritt voran, wie selbstverständlich voraussetzend, daß er ihr folgte.
    Der Sturm schloß sie von der Umwelt ab und schuf eine Gemeinsamkeit, wie man sie sonst erst nach Stunden gewinnt.
    Keuchend erreichten sie den alten Leuchtturm, der auf einem vorgeschobenen Felsen schon Jahrhunderten die Stirn geboten hatte. Als technisches Denkmal ein beliebtes Ausflugsziel, war er bei schönem Wetter dicht umlagert. Jetzt war er verlassen. Sie sahen hinaus auf das Meer, über das der Leuchtturm einst seine Lichtbalken geschleudert hatte, und schwiegen.
    Eine Bö warf sie gegen ihn, und Jansen hielt sie fest. »Jadwiga!« sagte er und fuhr, als er ihr kühles Erstaunen bemerkte, lächelnd fort: »…ist ein schöner Name!«
    »Wiederholen… wenn es nicht so laut ist!« schrie sie zurück und löste sich von ihm.
    Er hatte es wiederholt, später, als sie im Klubhaus saßen. Und er gefiel ihm wirklich, dieser Name, denn er wiederholte ihn oft. Beim Tanzen, am Strand, auf dem Segelboot. Bald sagte er ihn leise, schließlich flüsterte er ihn…
    In der zweiten Urlaubswoche sprachen sie auch einmal von ihrem Leben, über ihre Arbeit. Sie stammte aus Warschau, war Atomphysikerin. Danach redeten sie nie wieder davon. Doch ihm schien, als wäre sie weicher, zärtlicher nach diesem Gespräch. Und sie schlug ihm keine gemeinsame Stunde mehr ab, nützte jede Gelegenheit, um mit ihm über die Insel zu streifen. Nur wenn er von später sprach, von ihrem gemeinsamen Leben, dann wurde sie schweigsam und wechselte schnell das Thema.
    Schließlich kam der letzte Tag, die letzte Nacht. Am andern Ende der Insel, in einer Bucht, ankerte die Segel-Jacht…
    Jansen stöhnte auf und ballte die Fäuste.
    Damals hatte er geglaubt, es könnte nie anders sein. Ja, er war sicher, daß er am Anfang stünde, am Fuße eines Weges, der steil zum Gipfel führte.
    Als er sie anderen Tages abholen wollte, war sie bereits abgereist. Nur ein Brief blieb ihm, ein Stück Papier, das alle Hoffnungen erstickte.
    Strahlungsgefährdeten wird empfohlen, untereinander nicht zu heiraten, da ihr Nachwuchs degenerationsbedroht ist. So lautete die Empfehlung, an die Jadwiga ihn erinnerte. Weil sie ihn liebe, müsse sie verzichten. Sie wolle keine verkrüppelten Kinder von ihm…
    An diesem Tage haßte Jansen seinen Beruf, der ihn dieser Strahlung aussetzte, und er haßte die Erde, auf der das geschehen konnte.
    Jadwiga!
    Jansen sprang auf und schlug mit der geballten Faust auf den Knopf, der ihm diese Bilder zurückgerufen hatte.
    War er ein Schwächling, daß er mit seinem Schicksal nicht fertig wurde? Noch gab es ein Mittel, um diesen unsinnigen Gedanken zu entrinnen: Arbeit!
    Er warf sich die Jacke über und eilte zum Fahrstuhl.
     
    Lazzarri löste unlustig die Schrauben eines Manometers.
    So also sah die Weltraumfahrt aus! Defekte Teile reparieren, mit Protokollblättern durch die Stockwerke schleichen… Hoch lebe die Weltraumfahrt! Da war es weiß Gott auf der Erde interessanter. Ja, am Anfang, als ihm die Einrichtung noch unbekannt war… Aber jetzt!
    Er blickte auf die Uhr.
    Noch immer eine Viertelstunde. Wenn nur Jansen nicht dazukam, er hätte ihm gerade noch gefehlt! Eine Laune hatte der, daß der Geigerzähler knatterte.
    Sylvio, beeil dich! Sylvio, vergiß nicht die Werkzeuge in die Halter zu klemmen! Sylvio, du mußt sofort ins Kraftwerk! Sylvio hier – Sylvio da! Am Ende verlangte er gar von ihm, daß er in seinen vier Stunden dasselbe schaffte wie Jansen in zwölf; denn weniger Stunden täglich arbeitete Jansen kaum, wenn er das auch möglichst geheimhielt. Er wollte offenbar nicht, daß ihn Romain dabei ertappte; der Gruppensekretär würde ihm gewiß Mäßigung empfehlen. Aber er, Lazzarri, hatte Jansen manchmal noch lange nach dessen Dienstschluß in der Werkstatt gesehen – beim

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