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Tugend noch einmal so teuer, als eine andere ihre Sünden bezahlt haben würde, und kehrte zu ihrem Unglück im Jahre 1799 aus der Verbannung zurück. Ich habe gesagt, daß der Herzog von San Nicandro sich bemüht hatte, aus seinem Zögling den ersten Jäger und den ersten Fischer des Königreiches zu machen, und zwar bloß in der von Tannucci eingegebenen Absicht, den Prinzen von der Teilnahme an den Staatsgeschäften abzuhalten. Der König trieb auch in der Tat, wenn er dem Kabinettsrat beiwohnte, die Vorliebe für Jagd und Fischfang so weit, daß er nicht gestattete, Schreibmaterialien auf den Beratungstisch zu bringen, denn er fürchtete, daß man dann auf den Gedanken kommen könnte, irgendeine Verordnung abzufassen, welche er dann genötigt wäre zu unterzeichnen. Es bestand zwischen dem König von Neapel und dem Markgrafen von Anspach ein vertrauter wöchentlicher Briefwechsel über alles, was sich auf die Jagd bezog. Jeder der beiden Fürsten führte ein genaues Register, in welches Tag für Tag und Stunde für Stunde die von ihnen auf diesem Gebiete vollbrachten Heldentaten eingetragen wurden.
Ein ähnliches Register und eine ähnliche Korrespondenz wardzwischen dem König von Neapel und dem König von Spanien, seinem Vater, geführt. Nun geschah es oft, daß die beiden Monarchen sich infolge politischer Differenzen entzweiten. Wie uneinig sie aber auch in politischer Beziehung sein mochten, so erlitt doch das eben erwähnte Register keinerlei Unterbrechung. Das Verzeichnis der wilden Tiere, welche dem Vergnügen des Monarchen geopfert worden, ward stets regelmäßig geführt. Das kleine Wild ward darin ebenso gewissenhaft verzeichnet, wie das große. In einer besonderen Rubrik waren die Schwierigkeiten bemerkt, die es dabei zu überwinden gegeben, die Unfälle, die dabei vorgekommen, die Personen, welche den König begleitet, und die besonderen Beweise von Kühnheit oder Geschicklichkeit, wodurch sie sich hervorgetan. Das von diesen beiden Registern, welches für den Markgrafen von Anspach bestimmt war, galt für das bevorzugte, und zwar aus dem sehr einfachen Grunde, weil Ferdinand, so geschickt er auch war, doch weit weniger gut schoß, als Carl der Dritte, während er im Gegenteil ein besserer Schütze war, als der Markgraf von Anspach. Die süßeste Schmeichelei, womit man das Ohr des Königs erfreuen konnte, war, wenn man ihm sagte, er schösse besser, als der Markgraf von Anspach, was durch die Zahl des von Ferdinand erlegten Wildprets konstatiert würde, weil dieses die Zahl des von dem Markgrafen von Anspach geschossenen überstiege, während man die Zahl der von dem König Carl dem Dritten erlegten Tiere noch größer wäre, dies nicht in der größern Geschicklichkeit des Königs Carl, sondern in dem Umfang und in dem Wildreichtum der spanischen Wälder seinen Grund hätte.
Ich werde hier noch zwei Anekdoten mitteilen, welche das von mir von dem König entworfene Bild vervollständigen. Dann werde ich sofort zur Erzählung der Ereignisse übergehen, welche das Königreich Neapel beunruhigten und woran ich selbst Teil nahm – mehr aus Freundschaft für den König und die Königin als infolge einer wirklichen Antipathie gegen das französische Volk und die italienischen Patrioten. Der König jagte in einem seiner Wälder, als eine arme Frau ihm begegnete. Sie kannte ihn nicht und schien sehr betrübt zu sein. Ohne weder das Herz noch den Geist Heinrichs des Vierten zu besitzen, hatte Ferdinand doch einen Instinkt für volkstümliche Abenteuer. Er näherte sich der guten Frau und befragte sie. Diese antwortete ihm, sie sei Witwe, habe sieben Kinder zu ernähren und besäße, um dies zu ermöglichen, weiter nichts als ein kleines Feld, welches durch dieMeute des Königs verwüstet worden sei. »Sie werden selbst zugeben, Signor,« setzte die Witwe weinend hinzu, »daß es sehr hart ist, einen Jäger zum Fürsten zu haben, dessen Vergnügungen für seine Untertanen nur eine Quelle der Tränen sind.« Ferdinand antwortete, ihre Klagen seien gerecht und da er im Dienste des Königs stünde, so würde er nicht ermangeln, ihn davon in Kenntnis zu setzen.
»Sagen Sie es ihm oder sagen Sie es ihm nicht,« erwiderte die Frau, »deswegen hoffe ich nicht mehr und nicht weniger. Nur ein Mensch ohne Herz kann auf diese Weise um seines Vergnügens willen das Besitztum armer Leute verwüsten, weil er weiß, daß diese nichts gegen ihn auszurichten vermögen.«
Diese Erklärung der Witwe hielt den König nicht
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