TITLE
rühmte seinem Schüler dieses Vergnügen sehr, als er aber sah, daß esdiesem allzusehr widerstrebte, strengte er seine Phantasie an und erfand eine Variante, welche darin bestand, daß er den jungen Prinzen, dem man noch kein Schießgewehr in die Hände zu geben wagte, hinter eine unten mit einem Loche versehene Tür stellte. Mit einem Stocke bewaffnet, lauerte Ferdinand den Kaninchen, welche man durch dieses Loch trieb, auf, und schlug sie dann tot. Das war doch schon etwas.
Zu diesem Zeitvertreib gesellte der Fürst von San Nicandro bald einen zweiten. Dieser bestand darin, daß er seinem Zögling Kaninchen, Hunde, Katzen, Kinder, Bauern und Arbeiter mittels langer Tücher prellen lehrte. König Carl der Dritte, welchem man über diese Erholungen seines Sohnes Bericht erstattete, fand dieselben gut und schrieb, man solle bloß die Hunde aus dem Spiele lassen, weil dies edle, der Jagd dienende Tiere seien, und der junge Prinz fuhr daher fort, bloß Kaninchen, Katzen, Kinder, Bauern und Arbeiter zu prellen, welche, da sie nicht zur Klasse der edlen Tiere gehörten, keine Recht auf Ausnahme hatten.
So kam Ferdinand eines Tages, als er unter den Zuschauern einen jungen toskanischen Abbé, einen schwächlichen bleichen jungen Mann, bemerkte, auf den Gedanken, diesen ebenfalls zu prellen, und gab seinen Lakaien leise die erforderlichen Befehle. Die Lakaien bemächtigten sich dieses Unglücklichen, legten ihn auf eine Decke und schnellten ihn wiederholt in die Höhe, bis er ohnmächtig ward. Außer sich vor Scham, als er wieder zur Besinnung kam, flüchtete der junge Mann nach Rom, wo er krank ward und nach Verlauf von zwei Monaten starb. Sein Name war Marrighi. Unter dergleichen Amüsements wuchs der König heran, ward ein unerschrockener Jäger, ein tüchtiger Reiter, ein unvergleichlicher Fischer, ein Ringer ersten Ranges und ließ anfangs seine jungen Spielkameraden mit Stöcken, womit er, wenn sie ein solches Manöver machten, ihre Schultern liebkoste, und dann ein Regiment exerzieren, welches er organisierte und welches er seine Liparioten nannte, weil die jungen Leute, aus welchen es bestand, größtenteils aus dem Archipel von Lipari stammten. So erreichte er, ohne sich um die Angelegenheiten des Königreiches auch nur im mindesten zu kümmern, sein siebzehntes oder achtzehntes Jahr und es galt nun, ihn zu vermählen. Man hatte schon längst für ihn die junge Erzherzogin von Osterreich, Marie Josephe, eine Tochter des Kaisers Franz des Ersten, ausersehen. Die Bildnisse und Hochzeitsgeschenke waren bereits ausgetauscht und die Festlichkeitenauf dem Wege, welchen die junge Prinzessin passieren sollte, vorbereitet, als an dem zur Abreise bestimmten Tage Marie Josephe krank ward und starb.
Nun wählte man an ihrer Statt die jüngere Schwester Marie Karoline, welche im Monat April 1768 von Wien abreiste. Mit dem Frühlingsmonat zog die kaiserliche Blume in ihr Königreich ein. Im Jahre 1752 geboren, zählte sie jetzt kaum sechzehn Jahre. Sie kam mit dem Auftrage, die Politik des Hofes von Neapel so zu lenken, wie Maria Theresia es ihr andeuten würde. Ihre Mutter, deren Lieblingstochter sie war, konnte sich auch auf sie verlassen. Karoline besaß einen Geist, der ihrem Alter vorangeeilt war. Sie war mehr als unterrichtet, sie war gelehrt, sie war mehr als intelligent, sie war Philosophin. Sie war schön in der ganzen Bedeutung des Wortes und wenn sie es sein wollte, bezaubernd. Ich habe gesagt, daß sie, als ich sie kennen lernte, siebenunddreißig Jahre zählte, und darnach konnte man sich einen Begriff von dem machen, was sie mit sechzehn Jahren gewesen sein mußte. Sie sprach und schrieb vier Sprachen – deutsch, französisch, spanisch und italienisch. Bloß wenn sie beim Sprechen in die Hitze geriet, begann sie zuweilen zu stottern, ihre hellen beweglichen Augen aber und die Klarheit ihrer Ideen machten diesen kleinen Mangel vergessen.
Sie brachte nach dem glühenden Süden alle Träume der nebeligen Poesie des Nordens mit. Sie sollte nun das fabelhafte Land der Sirenen sehen, wo Tasso geboren worden, wo Virgil gestorben. Sie sollte mit ihrer eigenen Hand den Lorbeer pflücken, welcher am Grabe des Sängers des Augustus und an dem des Dichters des »befreiten Jerusalems« wächst. Ihr Gatte zählte achtzehn Jahre. Es stand zu erwarten, daß er Euryalos oder Tancred, Nisus oder Renaud sein würde.
Warum nicht? War sie nicht gleichzeitig Venus und Armida?
Sie fand den König, welchen ich zu malen versucht,
Weitere Kostenlose Bücher