TITLE
Tafel unseres kleinen Komitees mit demselben Luxus gedeckt war, als ob große Gala wäre, befand sich das Boudoir, von welchem die Königin gesprochen. Dieses geheimnisvolle Kabinett war nur von einer Alabasterlampe beleuchtet, welche ihren Milchschein über die Möbel und die Teppiche ausgoß. Die Fenster gingen auf die Terrasse und durch die Blätter der Orangenbäume hindurch sah man das von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne gerötete Meer funkeln. Marie Karoline durchschritt bloß den Speisesaal und zog mich in das Boudoir. Ich bezweifle, daß die Göttinder Wollust, Venus Astarte, selbst, sei es in Gnidia, sei es in Paphos, sei es in Cythera, zu der Zeit, wo sie von Adonis geliebt und von Perikles und Alcibiades angebetet ward, etwas Traulicheres und Fesselnderes erfunden habe, als dieses reizende Taubennest, in welches der Tau des Meeres nur durch das blühende Laubwerk der Orangenbäume drang.
Augenscheinlich hatte dieses Boudoir, welches aus Perlmutter und Rosenblättern zusammengesetzt zu sein schien, kein anderes Echo als für die süßen Worte und das Murmeln des Herzens und nichts zu atmen, als duftige Ausströmungen. Kaum war ich eingetreten, so empfand ich eine seltsame Regung, als ob ein nur eingeschlafener süßer Gesang plötzlich erwachte. Es war ein Zauber gleich dem, welchen ich in jener Nacht erfahren, wo Sir Harry sich meinem Bett genähert hatte, um darin den Platz seines Freundes Sir John einzunehmen. Meine Lippen wurden wie von einem glühenden Atem vertrocknet, meine matten Augen schlossen sich halb, meine Brust hob sich und ich sank halb liegend auf die schwellenden Kissen, indem ich murmelte: »Ach, wie könnte man hier nicht lieben!« – »Und wer hindert dich zu lieben?« fragte die Königin. »Stehst du denn in dem Alter, wo man nicht mehr liebt?« – »Nein,« antwortete ich, »aber wen soll ich lieben?« – »Ach ja,« antwortete die Königin, »das ist die Frage, wie dein großer Dichter sagt. Wen soll ich lieben? So fragte auch Sappho, ehe sie Phaon gesehen. Sie sah Phaon und bezahlte den Blick, den sie auf den schönen Lesbier heftete, mit ihrem Leben. Arme Emma,« setzte die Königin in gedämpftem Tone hinzu, »du hast recht – wen sollst du lieben? Denn die Liebe der Männer ist sterblich und wahre Freundschaft ist nur die Freundschaft der Frauen, dies glaube mir.«
Ich richtete mich mit Anstrengung empor und betrachtete die Königin mit dem Ausdruck des Erstaunens.
»Sieh, meine arme Schwester, Marie Antoinette,« fuhr sie fort. »Sieben Jahre lang ist sie die Gattin ihres Mannes gewesen, ohne sein Weib zu sein. Wohlan, diese sieben Jahre sind die glücklichsten ihres Lebens gewesen. Allerdings hat sie das Glück gehabt, zweien Freundinnen zu begegnen, zweien Freundinnen, wie ich wenigstens deren einer begegnen möchte – der Prinzessin von Lamballe und der Frau von Polignac. Ich werde dir die Briefe zeigen, welche sie zu jener Zeit geschrieben. Man fühlt, daß sie damals nie eine Wolke im Herzen gehabt hat. DieDillon, die Coigny, die Fersen sind es, die den Orkan um sie herum erweckt haben – Lamballe und Polignac! Das war das schöne Wetter, das war der Azur, das war die Sonne! Willst du, Emma,« sagte die Königin, indem sie mich mit ihrem Arm umschlang, »für mich werden, was diese beiden zärtlichen Freundinnen für meine Schwester Marie Antoinette gewesen sind?«
»Ja, ja!« rief ich mit der ganzen Naivität meiner Seele.« »Ja, ich will es von ganzem Herzen!«
»Ich danke dir,« rief die Königin, indem sie ihre Lippen mit rascher, ungestümer Bewegung auf die meinen drückte. »O, ich fühlte, daß ich dich lieben werde, mehr als ich jemals jemanden geliebt.« Ich stieß einen schwachen Schrei aus. Ich war keineswegs auf diese fast männlichen Liebkosungen gefaßt. Es war mir als entschwänden mir plötzlich alle Kräfte, als umflorte eine Wolke meine Augen, als wäre ich einer Ohnmacht nahe. Mit Anstrengung erhob ich mich und drängte die Königin mit sanfter Gewalt von mir hinweg.
»O,« murmelte ich, »was ist mir? Ich glaube; ich ersticke!«
– »Dieses Gefühl ist ein ganz natürliches,« sagte die Königin, indem sie sich ebenfalls erhob und mich mit ihren Armen stützte, »bei dieser Julihitze in unsern Atlaskleidern und Fischbeinkorsetts. Liebe Freundin, mir haben noch einige Minuten bis zum Souper. Entledigen wir uns dieser schweren Gewänder und werfen wir uns in ein einfaches Negligé! Wir empfangen heute abend bloß vertraute
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