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seiner Quelle zurückkehrt.« – »O nein, nein, nein!« rief ich, indem ich beide Arme um den Hals der Königin schlang, »ich liebe Sie zu sehr, als daß ich Sie in einem Augenblicke verlassen könnte, in welchem Sie, wie Sie mir selbst sagen, in Gefahr sind. Ich bin schwach, Sie aber sind stark, stark für Sie und für mich. Sie werden mich stützen, wenn ich schwach bin, Sie werden mich aufrichten, wenn ich falle. Ich bin nicht so tief in die Geheimnisse der Politik eingedrungen, um zu wissen, wer in diesem großen Kampfe der Völker gegen die Könige Recht hat; wenn Sie aber Unrecht haben, teure Königin, will ich auch mit Ihnen Unrecht haben, und wenn der Vesuv oder die Revolution über Neapel hereinbricht, dann will ich von derselben Lava verbrannt und unter derselben Asche erstickt werden, wie Sie.« Die Königin umarmte mich und drückte mich an ihr Herz. »Gut denn!« sagte sie. »Es schien mir seit einiger Zeit, als ob ich dich halb verloren hätte; jetzt aber finde ich dich wieder. Ich betrübte mich schon, mich so allein zu fühlen. O, ich will keine Geheimnisse vor dir haben. Ja, ich arbeite an einem finstern Werke, wie die Eumeniden, ich flechte Schlangen in der Finsternis. Mit Gold und Titeln kann man hier tun, was man will. Der Mann, den du gesehen hast, und der dich so sehr erschreckt hat, ist eine meiner Vipern: er heißt Vanni. Die beiden andern heißen Guidobaldi und Castelcicala. Der letztere ist Fürst; er war unser Gesandter in London. Ich habe ihm vorgeschlagen zurückzukommen und der Chef meiner Spione, der Präsident meiner Staatsjunta zu werden, und er hat meinen Vorschlag angenommen. O, ich werde den Anklägern solche Belohnungen schenken, daß ich, wie im alten Rom, aus der Anklage ein ehrenwertes Amt, oder wenn nicht ein ehrenwertes, so doch wenigstens ein beneidenswertes machen werde.«
»Nun,« sagte ich, »erkläre ich mir, warum dieser Vanni von Tortur sprach und sagte, daß man ohne Tortur nichts gestehen würde.« – »Ja, die Tortur ist seine fixe Idee, und von seinemGesichtspunkte aus hat er auch recht. Er hat Ehrgeiz dieser Mann. Wenn andere sich begnügen, zu sagen: › Unser König ,‹ sagt er: › Mein König ,‹ als ob der König ihm ganz allein gehörte, und als ob er ganz allein beauftragt wäre, ihn zu behüten. So werden denn die Angeklagten, die Denunzierten nicht fehlen, vielleicht aber die Schuldigen, denn der Meinung gewisser hartnäckiger Leute nach sind nur diejenigen anerkannte Schuldige, welche ihr Verbrechen gestehen, und hier gesteht niemand etwas. Vanni behauptet nur, daß er mit Hilfe gewisser Mittel, die er erfunden, und vorausgesetzt, daß man ihm Vollmacht gibt, diese Mittel in Anwendung zu bringen, Steine zum Reden bringen könnte. Ich habe ihm gesagt, daß ich mich dem durchaus nicht widersetze, und daß die Wahrheit ein so köstliches Ding sei, daß alle Mittel zur Erlangung derselben gut wären. Jetzt ist nur noch eine Schwierigkeit vorhanden. Es schien nämlich, als ob nichts davon in den Gesetzen stünde. Doch die Jakobiner sind ebensowenig in den Gesetzen, der Jakobinismus ist kein vorhergesehenes Verbrechen. Deshalb konnte man auch kein Gesetz gegen denselben schreiben, und weil er nicht im Gesetz steht, kann man sich, um ihn zu bestrafen, auch der Mittel bedienen, welche nicht im Gesetz stehen. Du wirst dir wohl denken, daß ich kein so geschickter Rechtsgelehrter bin, um dies alles selbst zu wissen; meine Viper, mein Vanni hat mir diesen Beweisgrund eingeblasen. Er hat Cicero angeführt, als er Lentulus und Cethegus erwürgte, des Gesetzes ungeachtet, welches verbot, römische Bürger ums Leben zu bringen. Dieser Meister Vanni ist sehr gelehrt. Ich werde ihn zum Ritter des Ordens vom heiligen Georg machen. Ich blickte die Königin voller Erstaunen, und ich muß es gestehen, auch nicht ganz frei von einem gewissen Entsetzen, an. – Sie bemerkte den Eindruck, den sie auf mich hervorbrachte. »Ja,« sagte sie, »du begreifst, du findest, daß ein Unterschied zwischen der ehemaligen und jetzigen Karoline ist. Jene Karoline fand Gefallen daran, dasselbe Kleid, denselben Haarschmuck denselben Schal wie du anzulegen, ihr ganzer Ehrgeiz bestand darin, selbst neben dir schön gefunden zu werden. Sie kannte den Schmerz, aber noch nicht den Haß. Wenn sie sich mit dir allein einschloß, wollte sie die Funken eines vergangenen Glückes in der Asche ihrer Liebe suchen; sie wollte dir sagen: »Ich habe geliebt und werde niemals wieder lieben; auch ich,
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