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Acton, indem er sich verneigte, »daß ich stets Ihrer Meinung bin. Würde die Königin es jetzt nicht für gut finden, wenn ich schleunigst Order gäbe, daß die Schiffe und Menschen, die soeben in den Hafen gekommen, der Gegenstand der Pflege und der Sorge der Regierung sein sollen?« – »Gehen Sie, mein Herr, gehen Sie! Lassen Sie die Verwundeten verbinden, die Kranken pflegen, und denen, die sich ausgezeichnet haben, Belohnungen erteilen, denn wir sind keine solche Großmacht, daß wir das Recht hätten, undankbar gegen unsere Verteidiger zu sein.« – Acton verließ uns.
Am Abend kehrte der König von der Jagd zurück. Gegen elf Uhr erkundigte sich die Königin nach allem, was er gesagt und getan. Er hatte ganz ruhig soupiert, hatte sich während seines Soupers die Ereignisse, von denen man soeben Kunde erhalten, erzählen lassen und war dann, ohne ein Wort zu sagen, zu Bett gegangen. Um Mitternacht bat mich die Königin, sie zu begleiten. Ich sah mit Erstaunen, daß sie einen Dolch und einen schwarzen Bleistift nahm, und als ich sie fragte, was sie zu tun im Begriff sei, sagte sie: »Komm nur mit und du wirst es sehen.« – Ich folgte ihr durch den stets einsamen Korridor, auf welchem der König gewöhnlich zu ihr kam. So gelangten wir an ein kleines Zimmer, welches sich vor dem des Königs befand. Hier blieb Karoline stehen und horchte, ob sich nirgends ein Geräusch vernehmen ließe. Es herrschte jedoch das tiefste Schweigen sowohl in dem Zimmer des Königs, der in tiefem Schlafe lag, als auch in dem Zimmer des diensttuenden Hofkavaliers. Die Königin näherte sich dem Schlafzimmer ihres Gatten, stieß den Dolch in die Tür und indem sie mir den schwarzen Bleistift gab, sagte sie: »Da der König deine Schrift nicht kennt, so schreibe hier um diesen Dolch die Worte, die ich dir sagen werde.« Ich setzte den Bleistift auf das Holz der Tür. – »Schreibe: Alle Moden kommen aus Frankreich.« Ich schrieb es. – »Jetzt komm,« sagte Karoline, »wir werden ja sehen, ob der König morgen früh ebenso gut frühstücken wird, wie er heute abend soupiert hat!«
Am nächsten morgen um acht Uhr kam der König schreckensbleich im Schlafrock zur Königin hereingestürzt, zeigte ihr mit zitternder Hand den Dolch und wiederholte mit einer Stimme,die durch das Klappern seiner Zähne unterbrochen ward, die Worte, welche ich an die Tür geschrieben. Karoline schien nicht weiter erstaunt zu sein. – »Das beweist,« sagte sie, »daß sogar in unseren Palast bereits Jakobiner eingedrungen sind.« – »Was sollen wir aber tun?« rief der König verzweifelt. – »Gerade das Gegenteil von dem, was Karl I. und Ludwig XVI. getan haben,« erwiderte die Königin, »den Jakobinern vorgreifen und sie umbringen, damit wir nicht umgebracht werden.« – »Ja, das will ich auch,« sagte der König; »wen aber sollen wir töten? – »Die Jakobiner.« – »Wir wollen uns das einmal klar machen,« sagte der König, der mit seinem einfachen Menschenverstand nicht begreifen konnte, was die Königin unter den Jakobinern verstand. »In Frankreich sind allem Anscheine nach die Jakobiner Sansculotten mit roten Mützen, welche lästernde und mordbrennerische Journale schreiben, hier sind die Jakobiner anständige, unterrichtete, ja gelehrte Männer, die gute Bücher oder wenigstens solche schreiben, welche man für gute Bücher hält. In Frankreich heißen die Jakobiner Santerre, Collot, d'Herbois, Hubert, sie sind Bierhändler, ausgepfiffene Komödianten, Verkäufer von Kontremarken. Hier dagegen heißen die Jakobiner Hektor, Caraffa, Cirillo, Conforti, das heißt, sie gehören dem ersten Adel und den medizinischen und juristischen Wissenschaften an. Gibt es denn wie in so vielen anderen Dingen, auch unter den Jakobinern einen Unterschied?« – »Ja,« erwiderte die Königin, »es gibt auch unter den Jakobinern einen, und je unterrichteter, vornehmer und reicher die unsrigen sind, desto mehr muß man sie fürchten. In Frankreich ist das Volk schlecht und die Klasse der Gebildeten gut, hier ist im Gegenteil das Volk gut und die Klasse der Gebildeten schlecht.« – »Gut! Also heute ist das Volk gut! Warum haben Sie es denn da so verachtet, als es mir Beifall klatschte, als es mich Makkaroni essen sah und als es auf den Tritt meines Wagens stieg, um mich an der Nase zu zupfen und mich in die Ohren zu kneifen?« – »Weil ich es damals nicht kannte, heute aber kenne ich es und lasse ihm Gerechtigkeit widerfahren, ja ich habe bereits
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