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Karoline dem Minister Acton näher brachte. Dreimal des Tages ließ sie ihn holen, fragte ihn um Nachrichten über den Krieg und wenn sie ihn entließ, rief sie aus: »Sie, der Sie ein Mann sind, könnten doch ein Mittel zur Rache für mich finden.« Dann pflegte Acton sie so gut zu trösten, wie sie sich eben trösten ließ, indem er sagte, in welchen blutigen Zuckungen Frankreich seine Kräfte erschöpfe.
Eines Tages aber sah ich ihn bleich, mit zusammengekniffenen Lippen und vor Wut am ganzen Körper bebend eintreten. Als die Königin ihn bemerkte, wußte sie sogleich, daß er der Überbringer irgendeiner verhängnisvollen Nachricht war.
Karoline richtete sich hoch auf, und indem sie meine Hand, die sie bei dem Eintritt des Generals gefaßt hatte, heftig drückte, sagte sie: »Was ist denn wieder?« – »Die Republikaner haben Toulon wiedergenommen, Madame,« sagte Acton. – »Toulon!« rief die Königin, indem sie erbleichte, »sie haben Toulon wiedergenommen und vor ungefähr acht Tagen sagten Sie mir noch, daß Sie vom General Hood einen Brief empfangen hätten, in welchem er Ihnen geschrieben: »Wenn die Jakobiner mir Toulon wiedernehmen, so werde ich selbst Jakobiner.« – »Nun, es bleibt ihm jetzt weiter nichts übrig, als sich die rote Mütze bis über dieOhren zu ziehen.« – »Wie ist dies denn aber möglich? Ihrer Aussage zufolge waren die Belagerer Toulons ja Blödsinnige. Carteaux, der General Carteaux, sagten Sie, wäre unfähig, selbst eine Stadt dritten Ranges zu belagern.« – »Und ich sage es noch, Madame, nur hat man unglücklicherweise Carteaux abgerufen und Dugonnier an seine Stelle geschickt. Die Generale aber sind es nicht, die Toulon wiedergenommen haben; es ist vielmehr allem Anschein nach ein junger, vollkommen unbekannter Offizier, der zum ersten Male ins Feld gezogen.« – »Und wie heißt er?« – »Bonaparte.« – »Wer ist das, Bonaparte? Ist er ein Italiener?« – »Ja und nein.« – »Woher ja und nein?« – »Er ist ein Korse.« – Die Königin stampfte mit dem Fuße. »Toulon ist wiedergenommen!« wiederholte sie. Sie schwieg einen Augenblick, indem sie die Stirn runzelte und die Arme ausstreckte. »Und weiter weiß man nichts von diesem Bonaparte?« – »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich von ihm weiß, Madame. Die Nachricht ist von einer Handelsbrigg, die man im Hafen blockiert und die denselben zugleich mit der englischen und unserer Flotte verlassen, gebracht worden. Nur hat sie, da sie ausgezeichnet segelte, die beiden Flotten überholt und von einem kleinen Sturm unterhalb der Insel Elba gepackt, ist sie in drei Tagen von Pinosa bis hierher gekommen.« – »Wen haben Sie befragt?« – »Den Kapitän.« – »Kann ich diesen Mann nicht sprechen?« – »Nichts ist leichter, nur hat er mir bereits alles gesagt, was er wußte.« – »Wann hoffen Sie weitere Nachrichten zu erhalten?« – »Diesen Abend, diese Nacht, spätestens morgen früh.« – Jetzt blickte der General unwillkürlich nach der Küste. »Ah, sehen Sie, Madame,« sagte er, »dort kommt ein Schiff mit vollen Segeln auf uns zu und es ist mir, als ob ich am Horizonte noch mehr Schiffe auftauchen sähe.« – »Bringe das Fernrohr, Emma,« sagte die Königin.
Die Königin hatte wirklich vom Kapitän Nelson ein gutes Fernrohr verlangt, und dieser hatte ihr das beste, was es auf dem »Agamemnon« gab, gesandt.
Der General nahm es, und nachdem er es gestellt, richtete er es auf das Schiff, welches am Horizont erschien.
Und während er die Rohre wieder ineinanderschob, sagte er:
»Wenn ich mich nicht sehr irre, so werden wir noch vor zwei Stunden die genauesten Nachrichten und zwar von einem Mann erhalten, der sich von dem ganzen Vorgang nichts wird haben entgehen lassen.«
»Sie haben das Schiff also erkannt?« fragte Karoline.
»Ja, ich glaube, es ist die »Minerva«, deren Kapitän Francisco Caracciolo ist.« – »Ah,« sagte die Königin, »wenn er es ist, so teilen Sie ihm doch mit, daß ich ihn zu sprechen wünsche und zwar zuerst. Wenn Sie wollen, General, so begleiten Sie ihn; zuerst aber soll er hierherkommen.« – Der General verneigte sich und ging. Wir blieben allein. Die Königin nahm das Fernrohr wieder zur Hand und folgte der Korvette mit den Augen, bis diese in den Hafen eingelaufen war. Die Korvette aber hatte, noch ehe sie in den Hafen einlief, Signale mit dem Kastell d'Uovo gewechselt, so daß der Kapitän nicht einmal wartete, bis der Anker den Meeresgrund berührte,
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