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Toulon wiederzunehmen, wenn ich nicht gejagt hätte?« – »Ich weiß wirklich nicht, mein Herr,« sagte Karoline mit Verachtung, »ob Sie mehr Philosoph als Logiker, oder mehr Logiker als Philosoph sind, und ich rate Ihnen daher, sich einer dieser Wissenschaften oder beiden zu widmen, wenn Sie wollen, während ich Ihre Erlaubnis, die Talente Medicis, Vannis, Guidobaldis, Castelcicalas und die Donatos zu benutzen, annehmen werde. Gehen Sie, mein Herr, vergessen Sie Ihren Dolch nicht, behalten Sie ihn im Auge, denken Sie über die Worte nach, die um ihn herum geschrieben standen, und es werden heilsame Reflexionen daraus für Sie erwachsen. Gehen Sie heute auf die Jagd?« – »Nein, Madame, ich fische.« – »Ah, der Augenblick ist wirklich gut dazu gewählt! Fischen Sie, mein Herr! Fischen Sie nur, und wenn Sie zurückkommen, teilen Sie mir etwas über Ihre Fische mit.«
Der König, der sich bereits erhoben und einen Schritt nachder Tür gemacht hatte, blieb stehen. »Sie haben recht,« sagte er, »ich werde den Fischfang abstellen. Ich werde mich heute damit begnügen, einige Fasanen in Capodimonte zu schießen.« – Und er ging hinaus.
Karoline ließ den General Acton zu sich bescheiden und beide beschlossen:
»Daß noch an demselben Tage, zum Vorteil des Staatsschatzes, eine große Anzahl Kirchengüter veräußert werden sollten;
daß Neapel mit einer außerordentlichen Steuer von wenigstens hunderttausend Dukaten und der Adel mit einer Steuer von hundertundzwanzigtausend Dukaten zu belegen seien;
daß die Kirchen, die Klöster und die Kapellen von ihren goldenen und silbernen Gefäßen die hergeben sollten, die nicht durchaus gebraucht würden;
daß die Bürger ihre Kleinodien und Pretiosen verkaufen, dem Staatsschatz den Erlös derselben überliefern und dafür auf einen gewissen Termin ausgestellte Bankanweisungen erhalten sollten;
und daß endlich die Regierung, ohne sich an den etwaigen Lärm zu kehren, der daraus entstehen könnte, sich der öffentlichen Banken bemächtigen sollte.«
Zweihundertfünfzig Millionen waren das Ergebnis dieses Fischzuges.
Außerdem erhielt die Staatsjunta von der Königin selbst den Befehl, ihr Amt zu beginnen, was sie denn auch dadurch tat, daß sie auf Marie Karolinens Befehl hundert Personen festnahm.
63. Kapitel.
Wir wollen hier einige Worte über den Verbrecher oder vielmehr über den ersten Unschuldigen sagen, der so vielen Opfern den blutigen Weg zum Schafott und zum Galgen öffnete. Da die Königin sich in Neapel befand, um das Osterfest daselbst zu feiern, was sie niemals unterließ, so hörten wir erzählen, daß die Kirche del Carmine, eine der berühmtesten Kirchen Neapels, durch eine furchtbare Ruchlosigkeit geschändet worden sei. Ich muß jedoch erst etwas über die Kirche del Carmine selbst sagen. Die Kirche del Carmine war von der Königin Elisabeth, der Mutter des jungen Conradin, gegründet worden. Elisabeth kam mit einem goldbeladenen Schiff, um ihren Sohn aus den Händen des Herzogs vonAnjou oder vielmehr aus denen des Königs von Neapel loszulaufen, allein sie kam zu spät. Das Gold, mit welchem sie das unglückliche Kind hatte loslaufen wollen, ward nun zum Bau einer Kapelle verwendet, in welcher man die irdischen Überreste Conradins und die des Herzogs von Österreich, seines Freundes, der, da er nicht ohne ihn leben konnte, mit ihm sterben wollte, beisetzte.
Im Jahre 1438 schoß René d'Anjou, als er Neapel belagerte, eine Kugel nach dem großen Kruzifix, welches oben auf dem Altar angebracht war, unter welchem Conradin begraben lag. Das Kruzifix neigte jedoch den Kopf auf die rechte Schulter, so daß die Kugel daran vorbeiflog, ohne es zu berühren; und in die Mauer hineinfuhr. Das Kruzifix stand bereits in dem Rufe großer Heiligkeit. Durch ein ganz eigentümliches Wunder des Himmels wachsen auf seinem Haupte Haare, wie auf einem lebendigen Haupt, und an jedem Ostertage schneidet der Syndikus von Neapel das Haar mit einer goldenen Schere ab. Nachdem er dem Könige, der Königin und den königlichen Prinzen einen Teil von diesen Haaren gegeben, verteilt er die übrigen unter die Gläubigen.
In dem Kreuzgange dieser Kirche ward auch Masaniello 1647 ermordet. So stand denn die Kirche del Carmine, welche an den Altmarkt, also an den bevölkertsten Teil von Neapel stößt, wegen dieser halb historischen, halb religiösen Traditionen, nicht nur bei den Lazzaroni, sondern auch bei den anderen Klassen der Gesellschaft in hohem Ansehen. Am
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