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Ostersonntag 1794 nun, gerade in dem Augenblicke, wo der Priester die Hostie emporhielt, ließen sich abscheuliche Gotteslästerungen hören und ein bleicher Mann mit emporgesträubtem Haar, schweißbedeckter Stirn und schäumendem Munde bahnte sich, indem er rechts und links um sich schlug, einen Weg durch die Menge, stürzte auf den Altar zu, schlug den Priester auf die Wange, riß ihm die Hostie aus den Händen und zertrat dieselbe mit den Füßen. Im Mittelalter würde man gesagt haben, dieser Mann sei vom Teufel besessen und man hätte ihm denselben ausgetrieben. Im achtzehnten Jahrhundert betrachtete man ihn wie einen Gotteslästerer und Tempelschänder, einen Verbreiter der schändlichen Prinzipien Frankreichs und man machte ihm den Prozeß. Dieser war nicht lang. Der Schuldige leugnete nicht nur nichts, entschuldigte nichts, sondern leugnete auch im Angesichte der Richter Gott, Jesum und die heilige Jungfrau. Er hieß Tommaso, war aus Messina, siebenunddreißig Jahre alt, hatte drei Brüder und eine Schwester, keine Eltern mehr und hattenicht einmal, soviel man wußte, eine Wohnung. So sagte er wenigstens.
Die Geistlichkeit zog großen Vorteil aus diesem Vorfall. Sie sagte, daß dieser Mann die Ruchlosigkeit der Zeit repräsentierte und ein lebendiges Symbol der Verderbtheit wäre, in welche die revolutionären Prinzipien die Menschen gestürzt hätten. Was die Richter betraf, so glaubten sie den Abscheu, den ein solches Verbrechen in ihnen erweckte, nicht deutlich genug ausdrücken zu können. Sie verurteilten den Schuldigen nicht nur zum Tode am Galgen, sondern er sollte auch auf dem Wege zur Richtstätte einen Knebel im Munde tragen, weil man fürchtete, daß die Lästerungen, welche er in seiner letzten Stunde ausstoßen würde, den guten Christen ein Greuel sein könnten. Außerdem sollten drei Tage vor der Hinrichtung in allen Kirchen öffentliche Gebete gelesen werden, damit dieses Verbrechen gesühnt würde. Nur zwei Richter, der Präsident Cito und der Rat Potenza, waren gegen die Todesstrafe und verlangten, daß Tommaso Amato in ein Irrenhaus gebracht würde.
Der 17. Mai, ein Sonnabend, ward für die Hinrichtung bestimmt. Man führte den Verurteilten durch alle Straßen Neapels, nur mied man diejenigen, welche in der Nähe des königlichen Palastes lagen, weil man in einer derselben dem König hätte begegnen und eine solche Begegnung den Verurteilten hätte retten können. Die Geistlichkeit wollte ganz Neapel zeigen, was ein Gotteslästerer war. Endlich führte man den Verurteilten auf den Marktplatz, wo die Hinrichtung stattfinden sollte. Die Vianchi , das heißt die Glieder der Bruderschaft, welche das traurige Vorrecht genießen, die Verurteilten in ihrer letzten Stunde moralisch und physisch zu stützen, begleiteten ihn, wie auch zehn bis zwölf andere Bruderschaften von allen Farben, die in Neapel existieren. Trotz des langen und ermüdenden Weges, welchen der Verurteilte zurückgelegt, hielt ihn doch eine gewisse fieberhafte Aufregung aufrecht. Er stieg die Leiter mit so festem Tritt hinauf, als ob er nicht gewußt hätte, daß jede Stufe ihn dem Tode näherführte. Als die Hinrichtung vorüber war, warf man seine Leiche auf einen Scheiterhaufen, worauf man die Asche des Scheiterhaufens, mit der sich die seinige vermischt hatte, in alle vier Winde streute. Noch an dem Abend des Tages, an welchem diese Hinrichtung ganz Neapel mit Schrecken erfüllte, kam ein Brief des Generals Danero, Gouverneurs von Messina, welcher bat, daß man einen unglücklichenWahnsinnigen, Namens Tommaso Amato, der aus dem Hospitale von Messina entflohen wäre, zurückschicken möchte. So geheim man diesen Brief auch zu halten versuchte, so ward derselbe dennoch bekannt, und ganz Neapel wußte, da die Jakobiner sich beeilten, die Nachricht zu verbreiten, daß die Richter die Aufregung eines Wahnsinnigen für die Ruchlosigkeit eines Atheisten gehalten hatten. Dieser Irrtum, welcher dem Eifer der Richter hätte Einhalt tun sollen, schien denselben im Gegenteil gerade zu verdoppeln. Sie bestimmten, daß die Tribunalsitzungen ohne Unterbrechung fortdauern sollten und daß nur zur Essens- und Schlafenszeit Ausnahmen stattfinden dürften.
Zu derselben Zeit ungefähr war es auch, daß England, welches die Niederlage von Toulon rächen wollte, beschloß, gegen Korsika zu Felde zu ziehen. Das Kabinett von St. James hatte schon seit langer Zeit die Kräfte Paolis erprobt und wußte, daß es auf diesen Mann den seine
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