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der Grund darin, daß die Richter Unrecht haben.« – »Die Gerechtigkeit kann niemals Unrecht haben, Emma. Ich werde ihr also freien Lauf lassen.«
Ich stieß einen Seufzer aus und ließ den Kopf auf die Brust herabhängen, indem ich einige Worte leise vor mich hinsprach. »Was murmelst du denn da vor dich hin?« fragte Karoline. – »Ich danke Gott, daß ich keine Königin bin,« erwiderte ich. – Ein momentanes Stillschweigen herrschte, welches die Königin zuerst brach. – »Überdies ist das Urteil erst heute ausgesprochen worden, so daß wir noch drei Tage Zeit haben, einen Entschluß zu fassen. .... Du wirst heute abend hier bleiben. Guter Rat kommt über Nacht.« In diesem Augenblicke trat der König ein. Wie gewöhnlich grüßte er mich sehr höflich, indem er mir andeutete, wieder Platz zu nehmen und sich selbst neben seine Gemahlin setzte. – »Meine liebe Schulmeisterin,« sagte er zu derselben, »ich teile Ihnenhierdurch mit, daß ich drei bis vier Tage abwesend sein werde.« – »Und wo wollen Sie hin?« – »Ich will in Persano jagen.« – »Dachten Sie etwa, daß ein neues Erdbeben stattfinden könnte?« – »Nein, dann würde ich nicht nach Salerno, sondern in die Gegend von Capua gehen. Sie wissen wohl, daß der Vesuv und der Ätna die Trennung der Meerenge von Messina, die, wie man mir erzählt hat, einmal durch ein Erdbeben erfolgt sein soll, niemals ernstlich genommen haben. Sie stehen miteinander durch unterirdische Verzweigungen in Verbindung, und wenn sie sich etwas zu sagen haben, so ist es nicht gut, ihnen in den Weg zu kommen. ... Nein, vor einem Erdbeben fürchte ich mich in diesem Augenblicke nicht.« – »Und wovor fürchten Sie sich denn?« – »O, Sie werden es schon wissen.« – »Sollten Sie nicht mehr so fest wie bisher von der Wahrheit Ihres Wahlspruchs überzeugt sein und an der Kraft eines Ihrer drei F zweifeln?« – »Nicht an der Kraft, wohl aber an der Gelegenheit.«
»Und in diesem Zweifel? ...«
»Entferne ich mich. ... Gibt der Weise nicht einen ähnlichen Rat?« – »Das heißt, Sie wollen bei allem, was vorgeht, nichts sein oder wenigstens tun, als ob Sie nichts dabei zu schaffen hätten?« – »Ich mag weder dabei sein, noch so scheinen. Habe ich etwa die Junta zusammenberufen? Habe ich Castelcicala aus London kommen lassen? Habe ich die berühmte schwarze Kammer organisiert, von der man soviel spricht, und deren Vorhandensein ich glücklicherweise leugnen kann, da ich niemals dort gewesen bin und nicht einmal weiß, in welchem Palast sie sich befindet? Dies alles habe ich nicht getan, sondern nur Sie allein. Ich jage, ich fische, ich erhole mich in San-Leucio, ich bin, um historisch zu sprechen, einer der faulen Könige. Sie aber, Sie sind die Königin, Sie führen das Szepter, Sie sind eine Katharina die Zweite, man wird Sie eines Tages die Semiramis des Südens nennen, wie man die Zarin die Semiramis des Nordens nannte, und dies wird sowohl für Sie, wie für mich sehr ruhmvoll sein. Da Sie aber die Annehmlichkeiten des Staates genießen, so ist es billig, daß Sie auch die Lasten desselben tragen.« – »Das heißt, daß Sie mir Neapel und Europa gegenüber die Verantwortlichkeit für den Tod dieser drei jungen Männer überlassen wollen?«
»Von was für drei jungen Männer sprechen Sie denn?« – »Von denen, die heute morgen von der Junta verurteilt worden sind.« – »Ah, die Junta hat heute morgen drei junge Männerverurteilt?« – »Sie wissen es wohl nicht?« – »Nein, meiner Treu! Ich besitze einen so mittelmäßigen Einfluß auf die Regierung, daß man sich gar nicht die Mühe nimmt, mit mir von Staatsangelegenheiten zu sprechen.«
»Hier ist aber nicht zu scherzen, mein Herr. Die Sache ist ernst, wir wollen also ernst davon sprechen, oder es überhaupt nicht tun.«
»Dann wollen wir es nicht tun; das ist mir am liebsten. Sie kennen meine Gewohnheit, mich nicht in Dinge zu mischen, die mich etwas angehen. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich nach Persano gehen und mich einige Tage daselbst aufhalten werde, denn wenn Sie nicht gewußt hätten, was aus mir geworden wäre, so hätten Sie sich meinetwegen beunruhigen können und ich möchte Ihren Geist durchaus nicht von den hohen politischen Spekulationen dadurch abziehen, daß er sich mit meiner armseligen Person beschäftigte. Sie sagten, es seien drei junge Männer zum Tode verurteilt worden? Die armen jungen Leute! Das tut mir leid, allein wenn sie schuldig sind, wenn sie eine
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