TITLE
dem Kommandanten Thomas Louis. Das Mahl dauerte einen Teil der Nacht hindurch, und bei jedem Toast, den wir ausbrachten, donnerten die Geschütze der unteren Batterien, während die des Forts antworteten. Nelson war oft zerstreut und in Gedanken versunken. Ich fühlte bei mir selbst, daß sein Gewissen ihm Vorwürfe über seine Untätigkeit machte und ihn mahnte, wo anders zu sein. In diesen Augenblicken stand er, unter dem Vorwand, einen Befehl zu erteilen, vom Tische auf und spazierte dann längere Zeit einsam auf dem Quarterdeck hin und her.
Eines Tages folgte ich ihm dorthin, näherte mich ihm von hinten, ohne daß er mich sah, und hörte ihn murmeln:
»Elender Tor, der ich bin! In der Tat, mein Schiff hat eher das Aussehen eines Pastetenbäckerladens als eines Schiffes vom blauen Geschwader.« Ich schlang meinen Arm um seinen Hals und führte ihn, während er darüber, daß ich ihn gehört, vor Scham und Verzweiflung ganz außer sich war, auf seinen Platz zurück. Der Karneval nahte heran, und da die Nachrichten vom Kardinal Ruffo immer befriedigender lauteten, so gab man bei Hofe einige Maskenbälle. Nelson, welcher sich augenscheinlich zu betäuben suchte, kam bei dieser Gelegenheit auf den Einfall, verkleidet mit mir auf den Straßen herumzulaufen. Zwei- oder dreimal begingen wir diese Torheit, ein Vorfall aber, welcher leicht ernste Folgen hätte haben können, benahm uns für die Zukunft die Lust dazu.
Eines Nachts, als wir uns auch so verkleidet in Palermo umhertrieben, führte Nelson, der, wie die Engländer meistens zu tun pflegen, nach dem Diner viel getrunken, mich in ein übelberüchtigtes Haus, welches von den Offizieren des Geschwaders besucht ward. Keiner derselben erkannte uns mit Bestimmtheit. Ein Hochbootsmann aber und ein Seekadett, welche trinkend in einem Winkel saßen, schöpften Verdacht, und als wir, Nelson undich, wieder fortgingen, schlichen sie uns nach und sahen uns in das Gesandtschaftshotel hineingehen. Beinahe in demselben Augenblicke kam der König heraus, und da er zwei lustige Käuze sah, die in der besten Laune zu sein schienen, so wollte er wissen, was sie hier machten. Der Hochbootsmann radebrechte ein wenig italienisch, und machte dem König großen Spaß, indem er ihm das ganze Abenteuer erzählte. Ferdinand versprach ihm, sich seiner zu erinnern, und fragte ihn, was ihm wohl am angenehmsten sein würde. Der Hochbootsmann antwortete lachend, sein Ehrgeiz habe seit seiner Geburt darin bestanden, Ritter zu werden.
»Wohlan,« sagte der König, »du sollst einer werden! Wie heißest du und zu welchem Schiff gehörst du?«
Der Hochbootsmann antwortete, er hieße John Baring, und gehöre zur Mannschaft des »Vanguard«. Zugleich erinnerte er den König an einige kleine Dienste, die er so glücklich gewesen, ihm während der Überfahrt von Neapel nach Palermo zu leisten.
»In der Tat,« sagte der König, »jetzt entsinne ich mich dessen.«
»Nun, das freut mich!« hob der Hochbootsmann wieder an. »Ich glaubte schon, Ew. Majestät hätten es vergessen.«
»Warum glaubtest du das?« fragte Ferdinand.
»Weil,« antwortete der durch die Freundlichkeit des Königs ermutigte Hochbootsmann, »weil weder ich noch meine Kameraden jemals so glücklich gewesen sind, auf Ew. Majestät Gesundheit für Geld mit einem andern Bildnis zu trinken als dem unsers allergnädigsten Königs, Georgs des Dritten.« Der König biß sich in die Lippe.
»Wohlan,« sagte er, »morgen sollst du für Geld mit meinem Bildnis auf meine Gesundheit trinken, und deine Kameraden sollen, indem sie auf die deinige trinken, dich Ritter nennen.« Da der König sehr schwatzhaft war, so ging er sofort zu der Königin und erzählte ihr die ganze Geschichte – daß ich mit Nelson verkleidet ausgegangen, daß ich in einem Hause gewesen, welches er mit einem noch etwas stärkeren Prädikat als »übelberüchtigt« bezeichnete, und daß er endlich einem englischen Hochbootsmann begegnet sei, der ihm soviel Spaß gemacht, daß er versprochen, ihn zum Ritter des St. Georgsordens zu ernennen.
Noch denselben Abend schrieb er einen Befehl, daß der Finanzminister Fürst Luzzi schon den nächsten Morgen dreizehnhundert Unzen Gold als Gratifikation für die Mannschaft des »Vanguard« an Bord dieses Schiffes schicken solle. Der FürstLuzzi sollte von dieser Bestimmung den Admiral Nelson in Kenntnis setzen und ihm gleichzeitig melden, daß der König den Hochbootsmann John Baring zur Belohnung der Dienste, die er ihm auf
Weitere Kostenlose Bücher