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ihn seit zwei Stunden erwartete, gab Befehl nach dem Admiralschiff zu rudern, ließ den Kopf in die Hände sinken und schaute nicht wieder nach uns zurück. Was uns betraf, so verließen wir die Marina erst, als wir ihn mitten unter den Fahrzeugen, welcheden Hafen füllten, aus den Augen verloren hatten. Kaum aber hatte der »Vanguard« eine Meile zurückgelegt, als der Wind sich wieder legte. Nelson benutzte diesen Umstand, um mir den folgenden Brief zu schreiben, den er mir mit dem Leutnant Swinay schickte.
»Meine teure Lady Hamilton!
Wenn ich Ihnen sage, wie traurig und düster mir der »Vanguard« erscheint, so sage ich Ihnen damit, daß ich, nachdem ich mich in der Gesellschaft der liebenswürdigsten Menschen befunden, mich plötzlich in eine dunkle Zelle eingesperrt finde. Jetzt bin ich wahrhaftig der große Mann, denn ich habe kein befreundetes Wesen bei mir und wünsche von ganzem Herzen wieder ein kleiner Mann zu werden. Sie und der gute Sir William, Sie haben allen Orten, wo Sie nicht sind, für mich den Zauber geraubt, den dieselben vielleicht früher für mich hatten. Meine Liebe zu Ihnen erstreckt sich auf alles, was Sie berührt, und Sie können sich keinen Begriff von dem machen, was ich empfinde, wenn ich Sie alle in meiner Erinnerung zusammenfasse.
Vergessen Sie nicht Ihren treuen
Nelson .«
Der Aufbruch der englischen Flotte versetzte den Hof von Palermo in große Unruhe. Die Königin besonders, welche wußte, wie wenig man auf ihren Gemahl rechnen konnte und die auch dem Genie Actons nicht recht traute, war in Verzweiflung. Dennoch beschloß man, sich, soviel man konnte, in Verteidigungszustand für den Fall zu setzen, daß die Franzosen eine Landung in Sizilien zu bewirken versuchen sollten.
Die Tage des 25., 26., 27. und 28. Mai vergingen unter fortwährenden Befürchtungen. Am 29. ward Lärm gemacht. Man sah von Marsala herkommend die Flotte, welche man anfänglich für die vereinigte französisch-spanische hielt. Es dauerte jedoch nicht lange, so überzeugte man sich, daß es Nelson war, welcher mit seinem Geschwader zurückkehrte. Man beeilte sich, anspannen zu lassen, und die Königin, Sir William und ich stiegen in den Wagen und nahmen die Richtung nach der Marina. Nelson seinerseits verlor ebenso keinen Augenblick und kaum war der »Vanguard« vor Anker gegangen, so stieg der Admiral in seine Jolle und kam ans Land.
An der Art und Weise, auf welche die Königin ihm entgegeneilte und ihm die Hände drückte, konnte ich wahrnehmen, daß die Furcht ein nicht weniger starkes Gefühl ist, als die Liebe. Nelsonstieg in unsern Wagen und fuhr mit uns nach dem Palaste. Während der acht oder zehn Tage, wo er gekreuzt, hatte er nicht ein einziges Segel von der französischen Flotte zu erspähen vermocht. Nach seiner Ansicht hatte sie die Richtung nach Toulon genommen, ohne Zweifel, um dort Verstärkungen an sich zu ziehen. Er legte viel Gewicht auf seine Rückkehr, welche, wie er sagte, den Zweck hatte, die Königin zu beruhigen. Seine einzige Hand aber gab mir, indem sie die meine drückte, deutlich zu verstehen, daß er bloß um meinetwillen zurückgekommen war. Er erkundigte sich, ob wir Nachrichten von Neapel erhalten hätten. Wir wußten nichts Bestimmtes. Er dagegen hatte erfahren, daß Ruffo seinen siegreichen Marsch durch Calabrien weiter fortsetzte. Die Neapolitaner hatten mittels einer Flottille von kleinen Fahrzeugen, welche von Caracciolo, der in den Dienst der Republik getreten war, geführt wurden, die Abwesenheit Nelsons und des Kerns der Flotte zu benutzen versucht, um die Inseln wieder zu nehmen. Nach einem erbitterten Kampfe gegen das von dem Kapitän Foot kommandierte »Seahorse« und die früher von Caracciolo, gegenwärtig von dem Grafen Thurn kommandierte Fregatte »Minerva« aber war die republikanische Flottille zurückgeschlagen worden.
Am 6. Juni ward Lord Nelsons Geschwader durch die Ankunft des »Donnerers,« eines Schiffes von achtzig Kanonen, welches bestimmt war, anstatt des »Vanguard« das Admiralschiff zu werden, verstärkt. Bald darauf, folgten der »Leviathan«, mit der Flagge des Vizeadmirals Duckworth, ferner der »Majestic« und der »Northumberland«, welche von der Flotte des Lord St. Vincent detachiert worden waren. Der 8. Juni war ein Festtag. Nelson verpflanzte seine Flagge vom »Vanguard« auf den »Donnerer«, und nahm zugleich auf letzteres Schiff den Kapitän Hardy, fünf Leutnants, den Kaplan und viele Matrosen und Seekadetten mit. Noch
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