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ohne Zweifel, um sich zu überzeugen, daß der Richter Speciale hier seiner Pflicht gut nachkomme. Endlich am 10. kam er an Bord des »Donnerers«, wo seine Ankunft mit einunddreißig Kanonenschüssen begrüßt ward. Die Nachricht, daß der König in Procida sei, hatte sich schon in Neapel verbreitet, und die auf dem »Donnerer« abgefeuerten Salven und die auf dem großen Mast aufgehißte königliche Flagge verkündeten seine Anwesenheit an Bord des Admiralschiffes. Sofort drängte sich die ganze Bevölkerung nach Santa Lucia, nach dem Molo und nach Marinella, und eine ungeheure Menge mit Bannern geschmückte und mit Musikanten besetzte Boote verließen den Hafen und steuerten nach dem englischen Geschwader, um den König willkommen zu heißen. Kaum war Ferdinand auf dem Admiralschiffe angelangt, so verlangte er ein Fernrohr, stieg auf die Schanze und richtete das Glas auf San Elmo. In demselben Augenblicke wollte der Zufall, daß eine russische Kugel den Stock der französischen Fahne zerschlug und diese herabwarf.
Der König, der wie immer sehr abergläubisch war, rief: »Eine gute Vorbedeutung, lieber Nelson! Eine gute Vorbedeutung.«
Und in der Tat, gerade als ob der Oberst Mejean sich mit Truebridge verabredet hätte, dem König eine Überraschung zu bereiten, war die Fahne, welche auf die dreifarbige folgte, die weiße, auch die »Parlamentärfahne« genannt. Diese Fahne, welche nur auf die Ankunft des Königs gewartet zu haben schien, um sich zu entfalten, brachte eine gewaltige Wirkung hervor. Das Volk erhob ein lautes Beifallsgeschrei und die Kanonen der ganzen Flotte antworteten den Kanonen des »Donnerers«. Sobald als der Kardinal Ruffo durch diese Salven erfahren, daß der König auf der Reede war, schiffte er sich ein und begab sich an Bord von Nelsons Schiff, wo er seit dem Tage des Bruches des Vertrages nicht wieder gewesen. Als die Gefangenen auf den Feluken, die nun endlich eingesehen, daß sie in ihm einen Verteidiger hatten, ihn vorbeifahrensahen, faßten sie wieder einige Hoffnung, denn sie glaubten, er werde für sie sprechen. Und in der Tat hatte der Kardinal den König nicht sobald begrüßt, so brachte er die Frage wegen der Verträge zur Sprache, und erklärte laut, daß der Bruch derselben ein öffentlicher Skandal sein würde, welcher an allen Höfen von Europa gerechte Entrüstung hervorrufen müßte. Der König antwortete, ehe er sich hierüber ausspräche, wolle er erst Nelson und Sir William hören.
Er ließ beide demgemäß rufen, und nun erneuerte sich die frühere Diskussion. Sir William verfocht den diplomatischen Grundsatz, daß Monarchen nicht mit ihren rebellischen Untertanen unterhandeln könnten, und erklärte, daß aus diesem Grunde die Verträge zerrissen werden müßten.
Nelson bewies unversöhnlichen Haß gegen die französischen Revolutionäre und sagte, man müsse das Übel mit der Wurzel ausrotten, um neues Unglück zu verhindern. Was den Kardinal betraf, so blieb er fest bei seinem Prinzip stehen, daß, da die Kapitulation geschlossen worden, dieselbe auch gehalten werden müsse. Alle seine Vorstellungen vermochten jedoch nichts gegen die Beweisgründe Nelsons und Sir Williams, die überdies mit den geheimen Gedanken des Königs übereinstimmten. Die Gefangenen wurden nicht freigegeben, und als sie den Kardinal mit gesenktem Haupte und gerunzelter Stirn wieder zurückfahren sahen, begriffen sie, daß für sie alles aus sei. Als Ruffo wieder in sein Hauptquartier zurückkam, sendete er zum zweiten Male seine Entlassung ein. Noch denselben Tag wurden die Gefangenen, die sich an Bord des »Donnerers« und der Feluke befanden, wieder ans Land gesetzt und zwei und zwei aneinandergekettet in die Gefängnisse der Vikaria gebracht. Als dieses Schloß keinen Gefangenen mehr aufzunehmen vermochte – ein Brief des Königs spricht von achttausend! – ward ein Teil derselben nach den in Kerker umgewandelten »Granili« gebracht.
Bei diesem Anblicke schlossen die Lazzaroni mit Recht, daß ihnen nun freie Hand gegeben sei, und da ich zu Anfang dieser Bekenntnisse versprochen habe, alles zu sagen, so gestehe ich, daß die Tage des 8. und 9. Juli Zeugen von Greueltaten waren, die man uns wie etwas ganz Gewöhnliches und Natürliches berichtete. Nelson und Sir William Hamilton waren damit einverstanden, und der König selbst lächelte darüber. Besonders erzählte man von den Bluttaten eines Priesters namens Rinaldi, welcher stolz auf das,was er an diesen beiden Tagen getan, an
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