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Fieberanwandlungen abwechselte. Noch schlimmer aber ward die Sache, als Nelson, der ebenso verzweifelt war wie wir, Sir William – denn an mich getraute er sich ebensowenig, als an die Königin – den folgenden Brief brachte, den er soeben von Lord Keith erhalten: »Genua, am 21. Juni 1800. Soeben habe ich einen Mann gesprochen, welcher Bonaparte verlassen. Dieser Bonaparte sagt öffentlich, daß er, ehe er Frieden schließe, erst noch eine anderweite Macht in Italien unterwerfen müsse. Lassen Sie die Königin daher nach Wien abreisen, und zwar so schnell, als sie kann. Wenn die französische Flotte einen Tag vor der unseren in Sizilien anlangt, so ist Sizilien verloren, denn dieses ist nicht imstande, sich auch nur einen Tag zu halten. Keith .«
Der Brief war so dringend, daß man trotz des Gesundheitszustandes, in welchem die Königin sich befand, beschloß, ihn ihr mitzuteilen. Man berief daher in ihrem Zimmer eine Art Kabinettsrat, damit jeder seine Meinung über den Entschluß ausspreche, den er in einem solchen Augenblicke für den besten hielt. Karoline, die angesichts der drohenden Gefahr sich sofort wieder stark und kräftig fühlte, wollte noch denselben Augenblick abreisen, wie Lord Keith es ihr riet. Sir William und Nelson waren aber dagegen der Meinung, sie müsse in Livorno bleiben, wo sie die Schiffe des englischen Geschwaders stets zu ihrer Verfügung hätte, und nicht eher abreisen, als bis sie einen Kurier von Wien erhalten, der ihr meldete, wie die Dinge am Hofe ihres Neffen stünden. Da der Fürst von Castelcicala dieser Meinung beitrat, so ging dieselbe durch, und man beschloß zu bleiben. Gegen das Ende des Monats Juni entschied sich die Königin, die sich mittlerweile vollständig von ihrem Unwohlsein erholt, dennoch ihre Reise nach Deutschland weiter fortzusetzen. Nelson hatte Lord Keith gemeldet, daß er entschlossen sei, nach England zurückzukehren, und Lord Keith hatte ihm eines der Schiffe der Flotte zur Verfügung gestellt. Ebenso aber, wie ich über Wien reisen wollte, um die Königin nicht zu verlassen, hatte Nelson sich vorgenommen, denselben Weg einzuschlagen, umnicht mich zu verlassen. Karoline schrieb demzufolge an den Kommandanten von Ancona, um ihn zu fragen, ob in dem dortigen Hafen nicht ein Schiff läge, welches sie nach Fiume und von da nach Venedig bringen könnte. Während wir uns zur Abreise rüsteten, erhielt die Königin einen Brief von der Kaiserin, ihrer Nichte. Die Kaiserin bat ihre Tante, sich durch keinen Grund, weder durch einen guten noch einen schlechten, von ihrer Reise nach Wien abhalten zu lassen. Sie sagte, sie glaube, diese Reise sei für ihre Interessen nicht bloß nützlich, sondern auch notwendig, und sie forderte dann die Königin auf, einen Kurier nach Mailand an den General Melas zu schicken, damit dieser ihr den Weg bezeichne, den sie einzuschlagen hätte. Es folgten dann noch lange Klagelieder über das, was in Italien geschehen, zugleich aber gestand die Kaiserin, daß nach der Katastrophe bei Marengo Melas nichts anders gekonnt habe, als den Waffenstillstand unterzeichnen. Übrigens hoffe sie von einer Wiederaufnahme der Feindseligkeiten nichts Gutes, sondern sei, so viel auf sie ankomme, für einen guten, dauernden Frieden. Mittlerweile erfuhren wir, daß eine Abteilung von dreihundertsechsundzwanzig Mann Franzosen mit Artillerie in Lucca eingerückt sei, und diese Nachricht bestimmte die Königin, sofort abzureisen und Ancona auf dem Landwege zu gewinnen. Da sie die drei jungen Prinzessinnen und den kleinen Prinzen mit hatte und folglich, wenn sie sich nicht von einem oder dem andern ihrer Kinder trennen wollte, niemanden weiter in ihrem Wagen zulassen konnte, so kam man überein, daß sie zuerst abreisen und wir ihr dann folgen sollten. Überdies lag ihr so viel daran, sich so schnell wie möglich von den Franzosen zu entfernen, daß sie, ohne die andern Wagen abzuwarten und auf die bloße Versicherung hin, daß die Straße frei sei, nach Florenz aufbrach.
Lord Nelson, Sir William und ich reisten am nächstfolgenden Tage, das heißt am 11. Juli, ab. Diese Reise sollte, abgesehen von der Gefahr, womit sie verknüpft war, nicht ohne große Strapazen zurückgelegt werden. Wir hatten schlechte Wege und einen schlechten Wagen anstatt eines im Monat Juli fast immer gehorsamen Meeres und guter, mit allen Bequemlichkeiten des Lebens ausgestatteten Kajüten. Nachdem wir auf diese anstrengende Weise gegen hundert Lieues zurückgelegt, wurden wir auf
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