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tränenreich, die drei jungen Prinzessinnen fielen mir eine nach der andern um den Hals und wollten mich nicht loslassen. Wir verbrachten die letzte Nacht alle bei einander, gedachten der guten und der bösen Tage und versprachen uns, sie niemals zu vergessen. Endlich verließen wir uns, nachdem die Königin mir noch das Versprechen abgenommen, zu ihr zurückzukehren, wenn ich von Unglück ereilt werden sollte. Sir William war leidend, abgespannt und durch die letzten Ereignisse niedergebeugt. Die Königin gab mir zu verstehen, daß, wenn ich einmal Witwe und Nelson zur See wäre, ich mich sehr einsam fühlen würde. Sie rechnete auf diese Eventualität und hoffte, daß ich dann mich bewogen sehen würde, mein Versprechen zu halten. Das, was mich gebieterisch nach England zurückrief, war ganz besonders der Zustand, in welchem ich mich befand. Ich fühlte mich Mutter. Sir William kannte mein vertrautes Verhältnis zu Nelson recht wohl, da aber unsere ehelichen Beziehungen beinahe immer nur die eines Bruders und einer Schwester gewesen, so hatte er niemals auch nur die mindeste Eifersucht gezeigt. Mein Zartgefühl bewog mich jedoch, meinen Zustand vor den Augen der ganzen Welt zu verbergen und in Zurückgezogenheit und Einsamkeit meine Niederkunft abzuwarten. Ich war Sir William Hamilton dankbar dafür, daß er die Augen zumachte, und ich durfte daher nicht gestatten, daß die Böswilligkeit sie ihm öffnete.
Wir reisten zunächst nach Prag, wohin der Erzherzog Karl unseingeladen hatte. Nachdem wir hier einen glänzenden Empfang gefunden, setzten mir unsere Reise nach Dresden und dann nach Hamburg weiter fort. In dieser letzteren Stadt begegnete uns ein Abenteuer, welches erzählt zu werden verdient, und wir machten eine nicht weniger merkwürdige Begegnung. Kaum waren mir nämlich in dem Hotel abgestiegen, als man uns meldete, daß ein Mann von etwa sechzig Jahren und etwas gemeinem Äußern mich durchaus zu sprechen verlange. Ich ließ ihn fragen, was er wolle. Er ließ antworten, er werde dies nur mir selbst sagen. Durch diese Hartnäckigkeit besiegt, befahl ich, ihn eintreten zu lassen. Nun sah ich einen kleinen alten Mann von sechzig bis siebzig Jahren, welcher ein wenig verlegen und in schlechtem Englisch stotternd, den Hut in der Hand haltend, mir erzählte, er habe in seinem Keller Rheinwein vom Jahre 1626. Es war dies etwas noch ganz anderes als der Wein, von welchem Horaz spricht, und der bloß von dem Konsulat des Opimius datierte, denn der Wein meines kleinen alten Mannes war hundertundfünfundsiebzig Jahre alt, und befand sich seit einem halben Jahrhundert im Besitz seiner Familie. Dieser Wein, sagte er, sei immer für eine außerordentliche Gelegenheit aufgespart worden, und diese Gelegenheit böte sich jetzt schöner dar, als er jemals zu hoffen gewagt. Der wackere Mann, welcher fünfzig Jahre lang so geizig mit diesem Wein gewesen, bat mich, Lord Nelson zu bereden, von ihm fünfzig Flaschen von diesem Wein anzunehmen, der auf diese Weise die Ehre haben würde, sich mit seinem edlen Blut zu mischen und das Herz eines Helden schlagen zu machen. Während wir noch so sprachen, trat Nelson selbst ein und wollte, nachdem er den Zweck des Besuchs des kleinen alten Mannes erfahren, das Geschenk anfangs zurückweisen; auf die inständige Bitte des Gebers aber nahm er endlich zehn Flaschen, unter der Bedingung, daß der Geber den nächstfolgenden Tag bei ihm speise. Auf diese Weise war die Sache abgemacht, nur schickte Nelsons Gast zwölf Flaschen anstatt zehn von seinem Wein. Nelson erklärte hierauf, man werde sechs von diesen zwölf Flaschen sofort trinken, und die sechs anderen reservieren, so daß er eine nach jedem der Siege trinken könnte, welche er noch zu erringen erwartete, und die sich hoffentlich noch auf wenigstens ein halbes Dutzend belaufen würden. In der Tat trank er nach seiner Rückkehr von Kopenhagen bei einem großen Diner eine von diesen sechs Flaschen, indem er zugleich einen feierlichen Toast auf den Mann ausbrachte, der sie ihm geschenkt. Nach der Schlachtbei Trafalgar aber blieben leider, obschon der Sieg glänzend war, die fünf letzten Flaschen unberührt, denn der Sieger war mitten in seinem Siege gefallen.
Die zweite Erinnerung, die mir von meinem Verweilen in Hamburg zurückgeblieben, ist der Besuch, den wir von Dumouriez empfingen. Nelson stellte mir ebenso wie Sir William den berühmten Sieger von Valmy und Jemmapes vor, welcher aller Wahrscheinlichkeit nach Frankreich von
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