TITLE
dessen seidener Überzug von derselben Farbe war wie die Vorhänge, und diese blaue Farbe führte mich durch die Analogie auf den Gedanken an mein erstes Kleid als Pensionärin. Ich sah mich wieder mit jenem Kleide an der Quelle sitzen, in deren Nähe meine Schafe weideten. Ich dachte wieder an den Tag, wo Dick zu mir gesagt hatte: »Betrachte dich in unsern Quellen, Emma; später einmal wirst du in die Stadt gehen und dich in großen Goldrahmenspiegelnbetrachten, wie der ist, der an der Tür des Spiegelhändlers in Hawarden steht.« Durch den Faden meiner Erinnerungen geführt, besann ich mich auf alles. Dieses Zimmer, dieser Spiegel, diese türkischen Teppiche, diese Vorhänge, die so blau waren wie mein Kleid im Pensionat, ja dies alles hatte ich in einem Traume meiner Kindheit gesehen und jetzt nach sieben oder acht Jahren fand ich es in der Wirklichkeit wieder. Und Dick, welcher jene Prophezeiung ausgesprochen, war jetzt auch Ursache der Verwirklichung derselben. Seltsame Verkettung von Umständen, welche meinem Herzen jene verhängnisvolle Idee eingepflanzt, daß eine Macht, die stärker wäre als mein Wille, über mein Schicksal verfügen und daß ich vergebens versuchen würde, mich dieser Macht zu widersetzen. Nach ungefähr einer halben Stunde trat Amy Strong in mein Zimmer und fand mich in demselben Sessel, in welchen ich nach meinem Eintritt gesunken war. Mein Hinbrüten schien sie zu beunruhigen. Sie versuchte mich daraus aufzurütteln, indem sie von Sir John Payne, von seiner Güte gegen Dick und von seiner Artigkeit gegen uns sprach. Ich begnügte mich zu lächeln, ohne zu antworten, ich begriff den Zweck dieser Artigkeit, die Berechnung dieser Güte und ich fühlte, instinktartig, daß meine Ehre das Lösegeld für Dicks Freilassung sein würde.
Zum Unglück war Sir John Payne jung, schön und reich; zum Unglück war er auch artig und schien gutmütig zu sein. Alles vereinigte sich sonach, um mich ins Verderben zu stürzen, sogar die guten Instinkte meines eigenen Herzens, welche mich drängten, Dick zu retten und Amy zu trösten. Um fünf Uhr machte ein Wagen vor dem Tore Halt. Ich erschrak. Amy eilte an das Fenster und stieß einen Freudenruf aus. Ich brauchte nicht erst an das Fenster zu eilen, um zu fühlen, daß es Sir John war, welcher nach Hause zurückkam.
Einen Augenblick später öffnete sich die Tür und er trat mit heiterer Miene ein. »Was geben Sie mir, Miß Emma,« sagte er zu mir, »wenn ich Ihnen eine gute Nachricht für Ihren Schützling bringe?« – »Was,« antwortete ich, indem ich mich erhob und ihm beide Hände entgegenstreckte, »was könnte ich Ihnen weiter geben als den Dank eines tiefgerührten Herzens, Mylord?« – »Gut,« sagte er. »Für jetzt begnüge ich mich mit diesem Dank. Unsere Rechnung werden wir später ausgleichen.« – »Dann ist Ihr Vorhaben also gelungen, Mylord?« fragte Amy. – »Wenigstens ist es auf dem besten Wege dazu,« entgegnete der Admiral.»Man hat mir die Freilassung Ihres Bruders für diesen Abend versprochen. Wir wollen sie, wenn es Ihnen recht ist, bei Tische erwarten. Sie müssen sehr hungrig sein, denn Sie haben weiter nichts als ein kleines Stück Kuchen genossen. Ich meinerseits gestehe, daß die weiten Wege, die ich gemacht, meinen Appetit ebenfalls nicht wenig gereizt haben.« Ich wollte eine Bemerkung über die Notwendigkeit machen, in der ich mich befand, nach Oxfordstreet zurückzukehren, als der Diener eintrat und meldete, daß die Tafel serviert sei. Sir John Payne bemächtigte sich meines Armes, führte mich nach dem in derselben Etage gelegenen Speisezimmer und rief: »Kommen Sie, meine schönen Tischgenossinnen!«
Der Tag begann sich zu neigen und aus dem durch die dichten Vorhänge vermehrten Halbdunkel meines Zimmers traten wir in ein prächtig erleuchtetes Speisezimmer, dessen Lichter von dem Kristall der Gläser und dem funkelnden Silbergeschirr widergespiegelt wurden. Es war in der Tat, als wenn von Feenhänden ein Souper für ihren König Oberon und ihre Königin Titania zubereitet worden wäre. Die Atmosphäre war lau und von einem gleichzeitig herben und süßen Parfüm erfüllt, welches durch alle Poren einzudringen schien. Beim Anblick dieses Luxus und infolge dieser duftenden Atmosphäre bemächtigte sich meiner gleichsam ein plötzlicher Rausch. Ich fühlte, mich einer Ohnmacht nahe. Meine Füße zitterten und mein Kopf neigte sich auf die Schulter herab. Sir John fühlte, daß ich seinem Arm schwerer ward, und
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