TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht
Wollen wir die Adressen tauschen? Ich bin Magdalena von Zwirbel.
Hier ist meine Visitenkarte." Sie kramte ein verknicktes Exemplar aus ihrer Handtasche hervor.
"Geben Sie mir Ihre, ja?"
"Habe keine!" Der Kleine, der stämmig gebaut war, blieb bei seiner Lautstärke.
"Aber Sie haben doch einen Namen. Und eine Adresse."
"Ich bin Jumbo Körner, äh, Christian Körner, meine ich. Zurzeit Zelle... äh... also, ich wohne in einer Pension."
Magdalena von Zwirbel zog einen 200-Mark-Schein aus ihrem Portemonnaie und fächerte sich damit Winterluft zu.
"Ich glaube, Herr Körner, dieser Unfall ist nichts für die Versicherung, auch nicht für die Polizei. Sie sind nicht verletzt, und ihr Wagen ist noch fahrtüchtig. Jedenfalls nicht weniger als vorher. Mit 200 Mark sind Sie gut bedient. Mehr ist die ganze Karre nicht wert."
Er hatte sich beruhigt, jedenfalls seinen Teint entrötet. Die Nase schnupperte. Ein schlaues Gesicht.
Dann trat er dicht an die Frau heran und schnupperte abermals, nämlich von unten aufwärts zu ihrem grellgeschminkten Mund.
"Sie haben Schnaps getrunken."
"Ich habe mir mit Wodka die Zähne geputzt. Ich bin allergisch gegen Zahncreme."
"Vielleicht sollten wir doch die Polizei holen."
"Ich erhöhe auf 250."
"300! Und keine Mark weniger!"
Sie hob die Schultern unter ihrem Rattenpelz, pflückte noch einen Schein aus dem Portemonnaie und händigte dem erpresserischen Unfallgegner 300 Mark aus.
Hm! Hm! dachte Karl. So geht's auch. Uns hat sie nicht mal Dank gesagt für die Entrümpelung.
Ein schwarzer VW stoppte hinter dem Kombi. Der VW- Fahrer schob sein Gaulgesicht dicht an die Windschutzscheibe und grinste.
Der großohrige Körner hatte sich umgedreht und hob winkend die Linke. Mit der anderen Hand schob er das Geld in die Tasche.
"Alkohol am Steuer", sagte Klößchen, "ist von Übel, Frau von Zwirbel. Dass Sie diesen Schrotthaufen rammen, macht nichts. Aber Sie könnten Kinder überfahren, Hunde, Katzen und Senioren, die nur noch langsam die Straße überqueren. Bedenken Sie das, wenn Sie sich das nächste Mal die Zähne putzen. Sonst machen wir Anzeige."
Magdalena war schon im Einsteigen. "Blöder Mops!" sagte sie übers Wagendach, zog die Tür zu und fuhr ab.
Körner schenkte den Jungs keine Beachtung, sondern eilte auf den gaulgesichtigen VW-Fahrer zu, der ausgestiegen war. Sie umarmten sich.
"Mensch, Kurt!" brüllte Körner. "Zu dir will ich. Bin auf dem Wege zu dir. Und da rammt die alte Kuh meinen Porsche zu Schrott."
"Kein guter Auftakt!" Kurt grinste. "Aber das wird besser, wenn wir zusammen frühstücken. Komm erst mal rein!"
Damit meinte er nicht den Wagen, in den Körner sich setzen sollte, sondern Haus Nr. 21, Kurts Bleibe.
Beide Wagen wurden davor geparkt, und die Männer verschwanden hinter der Haustür.
Spätestens jetzt hatten Karl und Klößchen gecheckt, um wen es sich bei dem Gaulgesicht handelte.
"Unsere Beobachtung nimmt Formen an", meinte Klößchen. "Und das verdanken wir Magdalena. Von mir aus soll sie saufen wie ein Loch, sofern sie nur die Finger vom Zündschlüssel lässt."
"Ich würde zu gern hören", sagte Karl, "worüber die beiden jetzt reden. Ein Ex-Knasti und ein zweiter Ex- Knasti."
"Meinst du Körner? Saß der auch hinter Gittern?"
"Hast du nicht gehört, wie er sich beinahe versprochen hat. Er war im Begriff, seine Adresse anzugeben mit: Zelle... soundso. Zellen gibt es zwar auch im Kloster. Aber für einen frommen Bruder halte ich Körner nicht. Nein, ich wette: Die beiden kennen sich aus dem Knast."
Der entlastende Brief
Selbigs Haus war jahrelang nicht gelüftet worden. Es hatte wie ein Dornröschen-Schloss für Prolos dahingedämmert, während der Eigentümer im Gefängnis saß. Nur zweimal im Jahr war ein entfernter Verwandter hereingekommen, widerwillig, um die Heizung an- bzw. abzustellen. Natürlich auf dem untersten Level, nur damit die Wasserrohre nicht einfroren. Jetzt roch die Bude wie das Vorzimmer zu Herrn Pharaos Grab in einer noch nicht entkernten Pyramide, und der Gilb in Tapeten und Gardinen passten dazu.
"Schön hast du's hier", sagte Jumbo Körner und ließ sich in einen Sessel fallen.
"Habe dir doch erzählt, wie gern ich hier bin."
Selbig kam aus der Küche, brachte einen Laib Brot, einen 5-Pfund-Schinken, Butter, zwei Teller und Messer, vier Flaschen Bier, aber keine Gläser. Trinken kann man schließlich auch aus der Flasche, besonders Bier.
Sie frühstückten.
Dabei berichtete Körner von dem
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