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TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

Titel: TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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mehr erinnerte, die auch nicht mehr durch Erzählungen geisterten, durch Weißt-du-noch? -Familiengeschichten.
    Vergessene Namen, dachte Tim, die nur noch ein Grabstein sind - gepflegt von Urenkeln, die sich über die Kosten ärgern.
    Viele Leute waren unterwegs. Blumen für frische
    Gräber. Gestecke für die anderen.
    Tim überschlug das Durchschnittsalter der Friedhofsgänger und kam auf 70 Jahre. Aber auch Kids waren da, wurden mitgeschleift, obwohl im TV eine Menge Programm lief.
    Die 47. Reihe.
    Das war schon ziemlich am Rande. Am Ende dieser und der nächsten Reihen gab es noch weiße Flecken auf dem Belegungsplan.
    Tim und Gaby stiefelten los. Alle Wege waren asphaltiert, der Schneebelag dünn. Die Luft roch nach Moos, nach Tannengrün und den modernden Abfällen in den Containern.
    Tim spähte nach vorn. Dort ging Gaulgesicht Selbig. Er trottete, hatte die Hände in den Taschen und den Kopf eingezogen.
    "Er hat keine Blumen", sagte Gaby, die ihn ebenfalls entdeckt hatte.
    "Vielleicht klaut er die von einem anderen Grab. Vergessen wir nicht: Er ist ein vorbestrafter
    Schwerkrimineller. Da gilt Grabschmuck-Entwendung als Kavaliersdelikt."
    "Wehe, der untersteht sich!"
    Langsam folgten sie dem Knasti. Selbig hatte etwa 50 Schritte Vorsprung. Der Kopf war zur Seite gewandt. Selbig suchte. Jetzt blieb er stehen.
    Ein ziemlich frisches Grab, dachte Tim. Mit Stein aus weißem Marmor. Das ist es.
    Selbig verharrte einen Moment, griff dann unter seinen Mantel und holte ein Gebilde hervor, das entfernt an einen Blumenstrauß erinnerte. Es wurde aufs Grab gelegt. Dann grüßte der Knasti mit gestreckter Hand an der Stirn und schlurfte weiter. Tim und Gaby holten auf.
    "Hätte ich nicht vermutet", meinte der TKKG-Häuptling und betrachtete den zerknitterten Strauß aus künstlichen Blumen. Sie waren von der Sorte, wie sie in Billiglokalen auf fleckigen Tischtüchern stehen.
    "Immerhin!" sagte Gaby. "In gewisser Weise ist es ehrerbietig und unsere Verfolgung ein Flop."
    "Glaube ich nicht." Tims Blick verfolgte Selbig. "So kann sich mein Instinkt nicht irren. Ich wette immer noch: Es war ein Griff ins Wespennest, als ich mich für Martina entschieden habe bei unserer arglosen Verfolgung. Wir wissen nur noch nicht, was hier vorgeht." Der Grabstein war schlicht. Er trug den Namen des Verstorbenen und seine Daten.
    Tim beobachtete, wie sich Selbig in eine andere Richtung wandte, auf einem Verbindungsweg mehrere Reihen kreuzte und sodann ungefähr in Reihe 40 vor einer Ruhestätte stehen blieb, etwa auf gleicher Höhe. Er schien sich sehr für dieses Grab zu interessieren. Er bückte sich, sah hierhin und dorthin, machte zwei Schritte zur Seite, rührte aber nichts an. Schließlich trollte er sich zum Ausgang.
    Das TKKG-Pärchen beeilte sich. Tim hielt den Blick fest auf das bestimmte Grab gerichtet, um das Ziel nicht zu verlieren. Dann standen sie davor.
    Hier war der Grabstein schwarz und klein. Er stand etwas schief. Eine Steinplatte bedeckte die Ruhestätte, lag in einer betonierten Einfassung und wirkte ernüchternd in ihrer Schmucklosigkeit.
    Die Inschrift auf dem Grabstein lautete: Hier ruht in Frieden meine geliebte Frau FLORENTINE SELBIG, geb. SCHRÖGMEYER1.1.1960-13.3.1991 "Seine Frau", sagte Gaby. "Der Knasti war verheiratet, aber Florentine ist früh gestorben."
    "Sehr früh. Ich frage mich: Warum hat er sich die Kanten der Grabplatte so genau angesehen?
    Eigentlich ist alles in Ordnung. Bis auf die Absplitterung hier. Da ist wohl jemand mit einer Brechstange reingefahren. Interessante Entdeckung, Pfote."

Magdalena, die Schnapsdrossel
     
    Das Wetter war umgeschlagen. Vereinzelte Schneeflocken trieben in der Luft, und die Wintersonne verschanzte sich hinter grauen Wolken.
    Karl und Klößchen standen neben den Glascontainern am Frustel-Weg und beobachteten das Haus Nr. 21, Selbigs Adresse. Dort tat sich nichts. Nur der Schornstein qualmte. In der Straße herrschte Ruhe, und Klößchen hatte sich wieder seiner Schokolade zugewandt, die er erst unter der Achsel wärmte, bevor er hineinbiss.
    "Weshalb machst du das?” fragte Karl. "Schmeckt sie besser, wenn sie nach deinem Achselschweiß riecht?"
    "Blödsinn!" empörte sich Klößchen. "Erstens bin ich frisch geduscht und trage ein frisches Hemd samt Sweatshirt. Ich wechsele mittwochs und sonntags, manchmal noch öfter. Zweitens ist eine Schoko-Kreation in Tafelform keine Havanna- oder Brasilzigarre. Die gewinnen achselhöhlig an Aroma, Kakao-Produkte nicht.

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