TKKG 82 - Der Diamant im Bauch der Kobra
beiden Händen. Die Mädchen, vertraut wie beste Freundinnen, gingen schnatternd voran. Im Flughafen war es angenehm kühl. Draußen schlug die Hitze wie mit Keulen zu. Kein Wölkchen war am Himmel, Joan steuerte auf einen Pritschenwagen zu, mit dem sie gekommen war:
Reifen besaßen noch genügend Profil.
Das Gepäck kam auf die Ladefläche. In der Fahrerkabine rückten die drei zusammen.
„Es sind zehn Meilen bis Springfield“, sagte Joan. „Der Airport hier versorgt die ganze Umgebung. Springfield ist ja nur eine Kleinstadt, was aber nicht heißt, dass wir von sozialen Problemen verschont bleiben. Auch hier gibt es Armut und Hilfsbedürftige. Ich helfe, wo ich kann. Zur Zeit kümmere ich mich um Sheila und Bill. Ihr werdet sie kennenlernen.“
„Uns interessiert alles“, behauptete Gaby und tauschte mit Tim einen Blick. Mit den Problemen, die Mike Brigland betrafen, wollten sie nicht gleich ins Haus fallen.
Fängt ja gut an, dachte Tim. Soviel wusste er: Joan engagierte sich sehr, wenn es darum ging, Pennern, Haftentlassenen und Entwurzelten das Dasein zu erleichtern. Kein Brief an Gaby, in dem nicht davon die Rede war. In der karierten Cowgirl-Bluse schlug offensichtlich ein gutes Herz.
Sie erreichten Springfield.
Die Kleinstadt döste in der Hitze. Die Männer trugen Stetsons (Cowboy-Hut). Ein Teil der Häuser war im Kolonialstil erbaut - mit Holzveranden und weißem Anstrich. Andere Straßenzüge sahen aus wie Kulissen eines Westernfilms.
Sie fuhren an der Bank of America vorbei. Das Geldinstitut protzte mit moderner Fassade. Die Western-Bank in einer Nebenstraße sah mehr wie eine Baracke aus. Vor dem Springfield-Plaza parkten chromglänzende Straßenkreuzer. Joan stellte ihren Pritschenwagen dazu.
„Erst müsst ihr ja mal die Zimmer belegen. Und duschen. Und ... Wann soll ich euch abholen? Wollen wir bei mir essen? Wir können machen, was wir wollen. Meine Eltern sind bis Sonntag verreist. Hochzeitstag haben sie. Das ganze Haus hätten wir für uns. Wirklich dumm, dass ihr hier wohnt. Aber der
Plaza-Luxus ist nicht zu verachten. Ich mache Steaks mit Maiskolben, ja? Und dann fahren wir zu Sheila und Bill.“
„Abgemacht“, nickte Gaby. „Also in einer halben Stunde.“
*
Sie erhielten nebeneinander liegende Zimmer im zweiten Stock des Seitentraktes, den man wohl erst dieses Jahr angebaut hatte. Er roch noch so neu.
Die Zimmer lagen rückseitig, wo das Plaza U-förmig einen Park umschloss. Er sollte Urwald vortäuschen und das gelang ihm.
Gaby beugte sich aus dem Fenster, atmete blütenschwere Luft und sah zur Terrasse, auf der sich einige Ladies ihren Eistee reinzogen. Unter dem Fenster war die Hauswand nicht glatt, sondern knollig wie die berühmte Warzen-Wand in den Schweizer Alpen. Der Architekt hatte Natursteine eingelassen, um den Anblick zu beleben.
Hübsch, dachte Gaby. Und so praktisch wie eine Leiter.
Sie packte aus, ging unter die Dusche, spülte eingebildeten Reisestaub von sich und bekam allmählich Appetit auf Maiskolben. Steaks sind ja nicht ihr Bier. Engagierte Tierschützer haben zum Glück ein gestörtes Verhältnis zu fleischlicher Nahrung.
Gaby war noch nicht angezogen, als es klopfte. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Sie hatte schon ihre Sandale gegriffen, um sie Tim an den Kopf zu werfen. Aber es war Joan, die freudestrahlend hereintanzte.
„Wir müssen uns beeilen. Die Steaks sind auf dem Grill. Für dich habe ich Tomaten, Kartoffeln und Maiskolben.“
Fünf Minuten später hielt Joan ihren Pritschenwagen vor einem hübschen Einfamilienhaus an, und die drei stiegen aus. Im Garten drehten sich Rasensprenger. Eine Katze huschte in die Ginsterbüsche. Ein Nachbar, der den Rasen mähte, winkte herüber. Und im Collins-Haus duftete die Diele nach Abendessen.
Gaby überreichte ihr Gastgeschenk, einen Bildband der Heimatstadt. Joan freute sich sehr, zumal verabredet war, dass sie Gaby im nächsten Jahr besuchte. Das Buch lieferte einen Vorgeschmack. Tim ging den verlockenden Düften nach und entdeckte, dass der Grill auf der Terrasse stand. Joan hatte den Gartentisch gedeckt.
Der Nachmittag neigte sich. Die Schatten wurden länger.
Seit seiner Ankunft hatte Tim noch kein amerikanisches Wort geredet - und Gaby nur wenige. Aber Joan wollte ihr Deutsch verbessern, das in der Schule ihre zweite Fremdsprache war - nach Spanisch.
„Wie gesagt, meine Eltern kommen erst Sonntag zurück“, meinte sie. „Aber meinen Opa lernt ihr morgen kennen. Er ist hier
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