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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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schüttelte den Kopf. Sie lehnte sich für einen Moment gegen den Alten. Ein strenger Tiergeruch stieg aus seiner Jacke.
    »Weine ruhig.«
    Lea schloss die Augen. Hardy hatte sie für Rebekka gehalten. Ich habe mir deinen Namen ausgeliehen, wisperte es durch ihren Sinn. Und urplötzlich stieg ein Gedanke in ihr auf, so unglaublich, dass Lea ihn am liebsten verbannt hätte. Sie könnte so tun, als sei sie Rebekka und Hardys Erklärung wahr! Für einen Moment zuckte Lea vor ihrer eigenen Überlegung zurück. Es wäre eine entsetzliche, grauenhafte Lüge! Sie würde zu ihrem eigenen Vorteil Menschen täuschen und hintergehen. Konnte sie das überhaupt? Würden ihre Schuldgefühle das Lügen für sie nicht unmöglich machen?
    Manchmal ist etwas Falsches richtig, wenn man es aus den richtigen Beweggründen tut!
    Woher kam dieser Gedanke? Lügen war eine gefährliche Angelegenheit. Doch gleichzeitig ging ihr etwas anderes durch den Kopf. Sie würde niemandem wehtun. Arne war fort und Joris würde sie aufgrund des Betrugs für eine Weile auf der Farm bleiben lassen.
    Eine winzige Stimme in ihr beharrte darauf, dass sie ihren Überzeugungen treu bleiben müsste. Es war nicht recht! Doch eine lautere Stimme in Leas Innerem fragte, was Rebekka davon gehalten hätte.
    Wenn du in meine Rolle schlüpfst, dann kann Joris es dir nicht verweigern, auf der Farm zu bleiben. Du gewinnst Zeit und kannst überlegen, was du mit deinem Leben anfangen willst!
    Lea legte ihre Hände an das glühende Gesicht und verharrte einige Zeit reglos. Dann ließ sie die Hände sinken und blickte lange Zeit ins Feuer. Schließlich traf sie eine Entscheidung.
    »Es stimmt. Ich habe einen Menschen verloren und Arne nicht gefunden. Aber daran werde ich nicht zerbrechen!«, sagte sie mühsam.
    »So ist es recht.« Der Ochsentreiber nickte ihr zu. »Weißt du, was das beste Heilmittel gegen Kummer und Leid ist? Eine Mütze voll Schlaf. Und die werden wir uns jetzt gönnen.«
    Hardy löschte das Feuer mit Erde und blies die Laterne aus. Sie schlüpften aus den Schuhen und krochen angekleidet auf ihr Lager. Lea streckte sich auf der Matratze aus, zog die Decke um die Schultern und hüllte sich tief darin ein. Die erste Lüge! Es war gar nicht so schwer gewesen. Bald würden sie die Farm erreichen und dann musste es sich zeigen.
    Lea versuchte sich die Ankunft auszumalen, doch es wollte ihr nicht gelingen. Sie schloss die Augen und sah nichts anderes vor sich als die endlose weite Prärie.

3
    L ea spürte, wie ihre Aufregung wuchs, je näher sie dem Ziel kamen. Sie fuhren jetzt an einzelnen Anwesen vorbei, an grünen Wiesen mit fettem Weidegras und einem in der Sonne glänzenden Bachlauf, den Pappeln und Weiden säumten. Als sie den Wagen über eine kleine Anhöhe gebracht hatten, tauchte vor ihnen ein Mann auf, der ein Pferd am Zaum führte. Über dem Sattel des Tieres lag etwas.
    »Ah, da ist Joris«, rief Hardy und trieb die Ochsen an.
    Lea spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Die Begegnung kam eher als vermutet. Tief zog sie ihren breitkrempigen Strohhut ins Gesicht, um sich zu verstecken.
    »He, Joris, alter Junge. Was führst du denn da spazieren?«
    Der Mann blieb stehen und drehte sich um. Lea erkannte ihn sofort. Rebekkas Zeichnung hatte Joris wirklich gut getroffen. Er war groß und schlank. Das helle lockige Haar bot einen starken Kontrast zu der von der Sonne gebräunten Haut seines Gesichtes. Kräftige Arme lugten unter dem aufgekrempelten Hemd hervor. Beim Näherkommen sah Lea, dass seine Kleidung stark verschmutzt war. Über dem Pferderücken lag ein Schaf, das herzerweichend blökte.
    »Hardy! Gut, dass du kommst. Vielleicht kannst du den jungen Burschen hier bis zur Farm mitnehmen.« Joris schützte sich mit der Hand vor der blendenden Sonne.
    »Was fehlt ihm?«
    »Ich weiß es noch nicht genau. Er lahmt. Irgendetwas mit seinen Klauen ist nicht in Ordnung. Ich habe beschlossen, ihn von der Herde zu trennen.«
    »Legen wir ihn hinten in den Wagen.« Hardy sprang vom Bock und trat auf Joris zu. »Übrigens, ich habe hier jemanden für dich.«
    »Für mich?« Der Mann kniff die Augen zusammen und blinzelte gegen das Licht. Erst jetzt schien er Lea wahrzunehmen. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihm. »Du bist zurück. Das hat mir gerade noch gefehlt!«
    Jeder Muskel in Leas Körper spannte sich. Ihr Atem flog, doch sie versuchte, es zu überspielen. Er hielt sie tatsächlich für Rebekka! Das Herz schlug schmerzhaft gegen ihre Rippen. Wie

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