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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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hätte ihre Schwester sich in solch einer Situation verhalten? Lea überlegte fieberhaft. Schließlich stieg sie bemüht ruhig vom Wagen.
    »Ja, ich bin wieder da!« Sie baute sich vor Joris auf. Er war so groß, dass Lea sich wie ein Kind vorkam. Sie schob den Hut in den Nacken, um ihn besser anschauen zu können.
    Grüne Augen trafen auf braune. Unwillkürlich erschauderte Lea. Der Mann war ihr schon auf Rebekkas Zeichnung unheimlich gewesen, doch jetzt schien sein Blick sie bannen zu wollen. Kein Willkommensgruß. Es sah aus, als ob Joris sie am liebsten zum Teufel schicken würde. Seine Abneigung war fast greifbar.
    Woher sollte sie nur den Mut nehmen, ihm zu trotzen? Ihr wurde heiß. Lea nahm den Geruch des Fremden nach Erde, Pferd und Seife wahr. Sie sah den Schweiß auf seiner Haut, das gespannte Hemd über dem muskulösen Oberkörper, den Pistolengurt um die Hüften. Dieser Mann wirkte so wild und gefährlich wie das Land, in dem er lebte.
    »Also gut, du bist zurückgekehrt«, hörte sie ihn mit eisiger Stimme das Schweigen durchbrechen. »Das ist mehr, als man von meinem Bruder behaupten kann. Mehr auch, als ich erwartet habe. Ich hatte mich gerade an den Frieden gewöhnt, der jetzt rundum herrscht, und es mir in Arnes Haus gemütlich gemacht. Dann muss ich wohl das Quartier wieder räumen und mich nach einer neuen Bleibe umschauen. Meine alte Hütte kommt nicht mehr infrage.«
    Ohne ein weiteres Wort der Erklärung nickte er Hardy zu und hievte das Schaf vom Pferderücken. Die Beine des Tieres waren zusammengebunden. Das Jungtier hob den Kopf, war aber nicht fähig, sich zu rühren.
    Lea merkte, wie das schlechte Gewissen in ihr anschlug. »Ich will dich nicht vertreiben. Du musst nicht Hals über Kopf gehen. Es ist doch Platz genug im Haus für zwei.« Letzteres hoffte sie zumindest.
    Joris, der gerade das Schaf in eine Decke wickelte, hielt in der Bewegung inne. Dann wandte er sich ihr langsam zu.
    »Ich meine … « Sie verhaspelte sich. »Solange Arne noch nicht wieder zurück ist … «
    »Duwillst mit mir unter einem Dach leben? Was ist passiert in den Wochen, als du fort warst? Hat man dir das Gewissen ausgetauscht? Du warst doch sonst nicht so großherzig.«
    Lea öffnete den Mund, um zu antworten, doch er kam ihr zuvor.
    »Bevor du es dir anders überlegst: Ich werde das Angebot zumindest vorerst dankend annehmen. Während deiner Abwesenheit habe ich einen jungen Burschen aufgenommen. Er wohnt jetzt in meiner alten Behausung und wird auf unserem Grund und Boden eine Mühle errichten. Die erste Mühle im Umkreis. Ich glaube, damit ist mehr Geld zu verdienen als mit der Schafzucht. Was diesen kleinen Kerl hier angeht«, er blickte zu Hardy hinüber, »du kannst ihn in einem von den Ställen unterbringen. Ich kümmere mich dann später um das Tier.«
    Joris tippte sich zum Abschied an die Stirn. Sein letzter Blick galt Lea. »Ich werde bald nachkommen.«
    Das Ochsengespann zog weiter. Sie fuhren an Farmen vorbei und kamen schließlich durch ein Dorf mit einer Werkstatt, einem Gasthaus namens Golden und einem kleinen Krämerladen, in dem man sich mit dem Nötigsten eindecken konnte. Hardy hatte hier eine Lieferung abzugeben. Lea betrachtete das Schild über dem Eingang des grob zusammengezimmerten Holzhauses. Bei Bill kriegt jeder, was er will , stand dort in dicken Lettern. Laut bimmelnd verkündeten Glocken Hardys Ankunft. Durch das große Fenster konnte Lea einen Tresen erkennen und Regale mit Waren. Sie hörte Hardy mit dem Ladenbesitzer scherzen. Sein meckerndes Lachen mischte sich mit dessen tiefem Bass.
    Ein drahtiger Mann, im Mundwinkel eine Pfeife, erschien in der Tür. Bill, denn er war es wohl, starrte neugierig zu ihr herüber. In der Brille auf seiner Nase brach sich die Sonne.
    »Tag auch, Lea.«
    Sie konnte seine Worte kaum verstehen, da er die Pfeife nicht aus dem Mund nahm. Lea wusste keine Antwort und nickte nur.
    »Gut, dass du wieder da bist. Da kann ich ja auf neue Zeichnungen hoffen. Mittlerweile kommen sogar Leute aus den umliegenden Dörfern und selbst von Quincy den weiten Weg bis hierher, um sie zu kaufen.«
    Lea fuhr der Schreck in die Glieder. »Ich habe mich an der rechten Hand verletzt«, sagte sie rasch. »Da wird es erst mal nichts mit dem Zeichnen.«
    Bill zuckte bedauernd die Schultern. »Pech auch. Aber ich habe da was!« Er ging in den Laden zurück und stand keine Minute später wieder beim Ochsenkarren. Er reichte ihr einen Tiegel. »Ochsensalbe. Hab’s selbst

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