Tochter der Nacht
genug, um zu wissen, daß es in kurzer Zeit tausend Wünsche sein werden. Aber warum fragt Ihr? Was hilft es, darüber zu reden? Ich danke Euch für das Frühstück, Ehrwürdiger Vater. Und da ich Eure Prüfungen nicht bestanden habe, nehme ich an, daß ich nun zu meiner kleinen Hütte im Wald zurückkehren muß. Das ist kein schlechter Platz zum Leben. Nur…«, Papageno brach ab und legte ein Stück Honigkuchen beiseite, das er gerade hatte essen wollen. Tamino sah Tränen in seinen Augen.
»Was bekümmert dich, Papageno?« fragte der Priester.
»Also«, sprudelte Papageno hervor, »ich bin es leid, von diesen Dämonen in Gestalt hübscher Damen gequält zu werden. Ich habe nichts dagegen, schwer zu arbeiten, aber ich möchte es in Ruhe und Frieden tun und nicht fürchten müssen, daß sie mich verspotten, wenn ich mein Bestes getan habe. Und ich hätte auch gern Papagena bei mir. Ich wäre sogar mit der alten Frau zufrieden, wenn Ihr nicht erreichen könnt, daß man mir das junge Mädchen gibt. Die Alte wäre zumindest eine lustige Gefährtin. Ich glaube, weil ich meinen Mund nicht gehalten und mit der jungen Dame gesprochen habe, bestand ich die Prüfungen nicht und bin deshalb ihrer nicht würdig. Aber warum fragt Ihr nicht sie… ich meine Papagena… nach ihren Wünschen? Sollte sie nicht auch ein Wort dazu sagen dürfen?« Papageno sah den Priester eindringlich an. Er hatte das Frühstück völlig vergessen.
»Papagena durfte sich äußern wie du, und sie hat sich für dich entschieden«, erwiderte der Priester. »Bleib standhaft, denn sie kann immer noch die deine sein. Aber…«, seine Stimme klang wieder ernst und mahnend, »… die Freuden der Weisheit, die den Eingeweihten vorbehalten sind, wirst du vielleicht nie kennenlernen.«
»Na ja…« Papageno blickte scheu zu ihm auf, »… ich möchte ja nichts über das Leben sagen, für das Ihr Euch entschieden habt, Vater, aber für mich ist das so völlig in Ordnung.«
»Gut, so sei es«, sagte der Priester und lächelte Papageno an.
»Sei standhaft, vielleicht liegen noch andere Prüfungen vor dir. Aber an diesem Punkt ist es nur richtig, daß die, die sich für die weltlichen Dinge entschieden haben, von denen getrennt werden, die Weisheit suchen. Prinz Tamino, verabschiedet Euch von Eurem Gefährten.«
»Aber«, sagte Tamino, »was wird mit ihm geschehen? Ich bin für ihn verantwortlich, denn ich habe ihn in diese Lage gebracht.«
Der Priester, den Tamino als seinen Führer betrachtete, fragte leise und freundlich: »Vertraut Ihr Sarastro, mein Bruder?«
Und Tamino wußte plötzlich, dies war wieder eine Prüfung, und er freute sich darüber, daß er es erkannte.
»Papageno…«, Tamino streckte ihm die Hand entgegen und drückte die kleinen, trockenen Finger des Halblings, »… ich bin sicher, sie werden gut für dich sorgen. Wenn die Prüfungen hinter mir liegen, und ich sie nach dem Willen der Götter überlebe… werde ich dich besuchen und mich selbst davon überzeugen, daß es dir gutgeht. Paß auf dich auf, kleiner Bruder. Die Götter mögen dich beschützen.«
Papageno sah ihn nachdenklich an. »Ich glaube, Ihr werdet ihre Hilfe nötiger haben als ich, mein Prinz.« Dann umarmte er Tamino. »Laßt Euch von ihnen keine Angst einjagen oder etwas zuleide tun. Wenn Ihr mich braucht, dann…«, Papageno dachte nach, nahm die Lockpfeife von seinem Hals und gab sie Tamino, »… pfeift nur darauf. Ich werde kommen und alles tun, um Euch zu helfen. Vielleicht bin ich nicht sehr gut, wenn es gegen Drachen geht, aber wenn Ihr jemand zum Reden braucht, ich bin zur Stelle.«
Tief bewegt nahm Tamino das Pfeifchen entgegen, das neben den grobgewebten Kleidern, die er trug, Papagenos einziger Besitz zu sein schien, und sagte: »Ich werde dich ganz bestimmt aufsuchen, um sie dir zurückzugeben, mein kleiner Freund.«
Die Priester gingen mit Papageno davon; Tamino kaute lust-los an einem der Honigkuchen, die Papageno nicht gegessen hatte und überlegte, wann die wirklichen Prüfungen beginnen würden. Es dauerte lange, bis die Tür sich wieder öffnete. Pamina kam in das Gewölbe. Sie trug ein einfaches weißes Kleid, das seinem Gewand glich. Neugierig blickte sie sich um und wirkte etwas erschrocken, als sie die Totenköpfe und die Sarkophage sah; doch als sie Tamino entdeckte, leuchteten ihre Augen.
»Mein Prinz, man schickt mich, um Euch die Zauberflöte zurückzubringen«, sagte sie und streckte ihm die seidene Hülle mit dem Instrument
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