Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
die Gelegenheit gegeben hatte, sie anzusprechen, und sie war fröhlich in die Falle getappt, hatte an nichts anderes gedacht als an Darran.
Der Blick ihres Vaters war voller Schmerz, als man sie vor ihn zerrte. Sie sah das blutige Schwert in seiner Hand. Die Männer auf dem Boden. Einen, der einen Pfeil im Rücken stecken hatte, erkannte sie am Gewand. Es war dieser unangenehme Kerl, dieser Tabor. Ihr Blick glitt zu dem Bogen in Julians Hand. Da hatte offenbar jemand seine Schuldigkeit getan und war ausgeschaltet worden.
»Nun«, sagte der blonde Jäger, »erzähle ihr, Strabo, weshalb du ihre Mutter geschwängert hast. Oder soll sie es von uns erfahren?«
»Du musst nichts sagen, Vater«, warf Gabriella dazwischen. Der Schmerz in den Augen ihres Vaters, die Verzweiflung in seiner Miene waren kaum zu ertragen. »Was immer sie behaupten, ich werde es nicht glauben.« Sie streifte den blonden Jäger mit einem abfälligen Blick.
»Du sollst es von mir hören, ehe sie dir noch Lügen erzählen«, sagte Strabo müde. Er holte tief Luft und stützte sich auf das Schwert, als würde auf seinen Schultern mit einem Mal ein schweres Gewicht lasten. »Die Magie des Lebens war uns schon lange verloren gegangen, ein Kind sollte sie zurückbringen, und damit diese Welt wieder gedeihen lassen. Die Nebelwesen …«, er zögerte, suchte nach Worten, »leben auch durch und mit uns. Es ist wie eine Symbiose, würdet ihr sagen, vor undenklichen Zeiten zu beiderseitigem Nutzen geschaffen.«
»Aber wenn sie Leben wollen, weshalb dann diese Barriere?«, fragte Gabriella erstaunt.
»Weil wir den Tod hinausgetragen haben zu anderen Völkern. Einige von uns wollten friedlich dort leben, aber die meisten kamen als Eroberer. Sie hätten die Menschen abgeschlachtet, versklavt und ihr Land in Besitz genommen.« Er fuhr sich über die Stirn, wie um die Erinnerung zu vertreiben. »Die Menschen waren hilflos gegen unsere Waffen und unsere Magie. Das Tor wurde erst geschaffen, als es einigen von uns gelang, die Barriere zu durchbrechen. Die Jäger sollten sie zurückholen.«
»Erzähle ihr nicht Dinge, die für sie nicht mehr wichtig sind«, unterbrach ihn Julian in grobem Ton.
Strabo presste seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, als er den Jäger ansah. Dann holte er tief Luft. »Als ich damals deine Mutter traf, war ich durch das Tor gegangen, weil die Nebel es mir befohlen hatten.«
»Er spricht davon, dass du eine Art Züchtung bist«, warf Malina höhnisch ein. »Und deine Mutter war nicht mehr als eine Zuchtstute.«
»Deine Worte sind nicht angemessen, Tochter«, sagte Strabo mit scharfer Stimme. Er schüttelte müde den Kopf. »Lass sie gehen, Malina. Sie ist keine Gefahr für dich. Sie wird in ihre Heimat zurückkehren und nie wieder deinen Weg kreuzen.«
»Dazu dürfte es jetzt ein wenig zu spät sein«, erwiderte Malina kalt.
Strabos gequälter Blick wandte sich Gabriella zu. »Es tut mir so leid, mein Kind. Aber eines sollst du wissen: Ich habe deine Mutter geliebt und ich liebe dich. Ich war froh, als du zu wenig Magie hattest, um …« Er konnte nicht aussprechen, Malina war vorgesprungen. Ihre Klinge blitzte auf. Sein Blick suchte den von Malina. In ihrem glühte Hass. Dann stach sie zu. Gabriella schrie unterdrückt auf.
Strabo krümmte sich, hielt sich mit beiden Händen den Leib, Blut quoll zwischen den Fingern heraus und färbte den Mantel dunkel. »Sie hätte dir nichts genommen, Malina«, flüsterte er. »Weder meine Liebe noch deine Stellung.«
Gabriella wollte sich losreißen, als er auf die Knie sank. Es war ihr, als würde alles Leben in ihr erstarren, als sie zusehen musste, wie er mit dem Gesicht in den Sand fiel.
Für eine endlose Zeit herrschte absolutes Schweigen. Alle, selbst Julian, standen wie erstarrt und blickten zu Strabo hinüber. Endlich sah der Jäger hoch und musterte Malina, die bleich, mit verzerrtem Gesicht daneben stand.
Malina starrte mit weit aufgerissenen Augen auf ihren Vater. »Er … er hat jetzt nur bekommen, was ihm längst gebührt hätte. Aber das wollte ich nicht. Nicht so …« Ihr Blick fand Gabriella. »Es ist deine Schuld! Alles nur deine Schuld! Und die deiner Hurenmutter!«
Gabriella ballte die Fäuste. Sie versuchte, durchzuatmen, aber es war, als läge ein schwerer Stein auf ihrer Brust. Es konnte nicht sein. Er konnte nicht tot sein. Malina hätte doch niemals ihren eigenen Vater getötet! Und damit auch ihren, Gabriellas, Vater, kaum dass sie ihn gefunden hatte!
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