Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
beachtet haben, außer wenn Strabo die Nebel rief, um unsere Leute zu töten.« Er wandte sich wieder Darran zu. »Bist du so sicher, dass ich dein Feind bin? Dir nicht mehr Freund bin als der dort?« Er deutete mit dem Kopf auf Markus, der ihn mit schmalen Augen musterte. »Hast du überhaupt eine Ahnung, von wem die Idee, dein Liebchen als Druckmittel zu verwenden, überhaupt stammt? Wer alles eingefädelt hat, wie die Menschen jenseits der Barriere sagen würden?«
Markus war blass geworden. Seine Hand, in der er sein Schwert hielt, ballte sich so fest darum, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Julian musterte ihn mit kaltem Hohn, während er einen seiner Männer herbeiwinkte. »Bringt ihn her.«
Gabriella presste die Hände auf den Mund, um ihren Schrei zu ersticken, als sie den Mann sah, der kurz darauf herbeigeschleppt wurde. Neben sich hörte sie Levana leise Verwünschungen ausstoßen. Sein Gesicht war kaum zu erkennen, so blau geschlagen war es, das eine Auge war fast zugeschwollen, das andere eine blutige Masse, seine Lippen aufgeplatzt, Platzwunden auch am Kinn und auf der Stirn. Er konnte nicht allein stehen, sondern wäre zusammengesackt, hätten die Männer ihn losgelassen. Seine rechte Hand hielt er gegen seinen Körper gepresst, seine Linke baumelte nutzlos herab. Sie stießen ihn knapp vor Markus zu Boden. Er stöhnte auf, Blut tropfte zwischen seinen Lippen hervor.
»Seine Zunge«, sagte Julian, »ist das Einzige an ihm, das unversehrt geblieben ist. Schließlich soll er uns ja einiges erzählen, nicht wahr?«
Markus war neben dem Mann niedergekniet. Das indirekte Licht der Wände warf tiefe Schatten auf sein Gesicht, das verzerrt war vor Zorn, Mitleid und Reue. »Rado, mein Freund, es tut mir so leid.«
Levana drängte sich zwischen den anderen vorbei, lief zu dem Mann und hockte sich neben ihm hin. Sanft legte sie ihre Hand auf seinen Leib und schloss die Augen, als wolle sie in ihn hineinhorchen. Markus beobachtete sie, einen unaussprechlichen Ausdruck im Gesicht. Sie hob hilflos die Schultern. »Hier kann ich ihn nicht pflegen. Ich kann auch nicht sagen, ob er wieder völlig gesund wird«, das Letzte sagte sie mit einer Müdigkeit in der Stimme, die Gabriella noch nie bei der jungen Frau gehört hatte.
Gabriella lief ebenfalls los, ehe Darran sie zurückhalten konnte. Sie kniete sich neben Levana, obwohl ihr bei dem Anblick des am Boden liegenden Mannes übel wurde. Er roch nach Blut, nach Erbrochenem, nach Exkrementen. Aus der Nähe wurde die Grausamkeit der Verletzungen noch deutlicher. Sie sah hoch und traf auf Malinas Blick.
»Hat das Spaß gemacht?«, fragte sie mit vor Wut bebender Stimme. »Ja? Bist du schon so tief gesunken? Das war sicher ein großartiges Gefühl, einen Hilflosen so zuzurichten. Tust du das alles für den da?«, fuhr sie mit heiserer Stimme fort, wobei sie abfällig auf Julian deutete. »Tötest für ihn deinen Vater? Mordest für ihn? Siehst zu, wie man andere Menschen quält?«
Malina antwortete nicht. Sie blickte starr auf Gabriella. Die Hand, die den Bogen hielt, zitterte.
Jemand legte Gabriella die Hand auf die Schulter. Es war Darran. Als sie hochsah, schüttelte er leicht den Kopf, sie sah, dass er Malina scharf beobachtete. »Markus?« Seine Stimme war völlig ruhig, auch wenn er bleich war.
»Sollen wir ihn noch einmal zum Sprechen bringen oder redest du, Markus?«, ertönte Julians kalte Stimme.
In diesem Moment entstand ein Tumult bei den großen Toren. Und dann drängte sich ein schlanker, groß gewachsener Mann heran. Er eilte mit langen Schritten auf Levana zu und nahm hinter ihr Stellung ein, das Schwert in der Hand, die Umgebung, jeden Einzelnen scharf musternd. Sein Blick blieb auf dem Verletzten haften, und Gabriella sah, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten. Levana griff in einer schutzsuchenden Gebärde nach seiner Hand.
»Ah ja, der Schatten deiner Schwester. Der darf natürlich nicht fehlen.« Julian legte den Kopf etwas zurück, um Darran und seine Freunde aus halb geschlossenen Augen zu betrachten. »Levana wird nichts passieren. Gegen sie hat Malina nichts. Ihr geht es nur um die andere. Und auch sie kann leben – das liegt ganz allein bei dir, Darran.«
Darran beachtete ihn nicht. Er sah nur Markus an, aus dessen Gesicht jede Farbe gewichen war. Gabriella fühlte sich mit einem Mal unendlich müde, so alt wie dieses Land und genauso verbraucht. Malina konnte sich den Pfeil sparen – sie brauchte nur zu warten, bis die
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