Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
grauen Nebelschleiern auftauchte, fand sie sich innerhalb der großen Halle wieder, genau dort, wo sie zuvor gekniet war, ehe die Nebelwesen sie entführt hatten. Der Platz, an dem Markus gelegen hatte, war allerdings leer.
Sie sah, völlig verwirrt, um sich. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber das Szenario in der Halle hatte sich grundlegend verändert. Täuschte sie sich oder waren jetzt wirklich mehr Menschen in der Halle als zuvor? Als sie verschwunden war, hatte sie Darran und Julian kämpfen sehen. Nun war von Julian keine Spur mehr zu entdecken, aber dort war Darran, umgeben von mehreren Männern. Sie schloss sekundenlang die Augen und schickte ein Dankgebet gen Himmel. Sie konnte nur sein Profil sehen, aber er stand aufrecht und schien bis auf ein paar Kratzer unversehrt zu sein.
Sie musste zu ihm. Sie brauchte jemanden, der sie hielt und ihr sagte, dass alles in Ordnung war. Gleichgültig, ob er log, und wie lächerlich es im Grunde war. Als sie jedoch losging, merkte sie, wie zittrig sie war, ganz abgesehen davon, dass ihr Knie dank Levana zwar weniger schmerzte, aber immer noch nicht ganz funktionsfähig war. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Mehrere Gruppen von Männern und Frauen standen herum, beobachteten Darran und die Männer, die ihn umgaben. Die Stimmung war so angespannt, dass Gabriella die schwelende Feindseligkeit fast greifen konnte. Darran gegenüber stand ein mittelgroßer Mann, der auf ihn einredete. Das war Tabor! Der Mann, der mit Malina gemeinsame Sache machte! Und er lebte? Er reckte sich, um größer zu erscheinen, während Darran kalt auf ihn hinabsah. In diesem Moment glitt sein Blick jedoch an den Männern vorbei, durch die Halle, und blieb an ihr hängen. Sein Gesichtsausdruck, eben noch hart, mit einem bitteren, finsteren Zug, veränderte sich. Einen Augenblick später leuchteten seine Augen auf, und er stieß Tabor achtlos zur Seite, um auf Gabriella zuzulaufen.
Sie stolperte ihm entgegen, und er riss sie so heftig an sich, dass er dabei ihre Rippen quetschte und es ihr den Atem aus den Lungen trieb. Und im nächsten Moment küsste er sie, als hätte er den Verstand verloren, ihre Lippen, ihre Wangen, den Hals, die Schläfen, die Ohren. Stammelte dabei unverständliches Zeugs.
Gabriella klammerte sich ihrerseits an ihn und streichelte unaufhörlich über seinen Rücken. »Ich hatte solche Angst um dich!«
» Du hattest Angst um mich?« Seine Hände legten sich um ihr Gesicht. »Mein Liebling. Ich dachte … den Nebeln sei Dank, ihr habt sie mir zurückgegeben.« Wieder begann er, ihr Gesicht zu küssen. »Ich dachte schon, ich hätte dich verloren.«
Die anderen Männer waren näher gekommen »Ich erzähle dir später alles«, sagte sie rasch, ehe sie so nahe waren, dass sie ihre Worte hören konnten. Sie war sich noch nicht ganz sicher, ob sie nicht nur eine Vision gehabt hatte. Eine Halluzination. Einen hysterischen Anfall. Allerdings, so wie Darran reagierte und alle sie anstarrten, war sie tatsächlich fort gewesen. In einer Welt aus lebenden Nebeln – ihre Nackenhärchen stellten sich auf.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Levana herbeilief, Alderan wie immer dicht auf den Fersen. Levana hatte eine Schramme an der Stirn, und Alderan hinkte leicht. Seine Hose war in der Mitte der Wade blutgetränkt, und sein Jackenärmel war aufgerissen. Darrans Schwester stieß einen erstickten Freudenschrei aus, als sie Gabriella um den Hals fiel und sie Darran damit aus den Armen riss. »Ich hätte nicht gedacht, dich wiederzusehen! Wo warst du denn nur?«
Gabriella zuckte hilflos mit den Schultern. »Und was ist hier los?«
Darran hielt ihre Hand so fest umklammert, als würde er sie zerquetschen wollen, als er sich nach Tabor umdrehte, der mit seiner ganzen Gruppe auf ihn zukam. Auch die anderen schlossen auf.
»Die verschiedenen Geschlechterführer sind gekommen, als sie davon hörten, dass Strabos Palast von Julian und Malina übernommen wurde«, sagte Levana etwas atemlos.
»Und wo ist Malina nun?«
»Darran hat sie gefangen nehmen lassen. Und der hier«, Levana wies verärgert auf Tabor, »will, dass wir sie freilassen. Das ist absurd! Eine Verrückte, die ihren Vater getötet hat«, rief sie dem Mann mit erhobener Stimme entgegen.
»Dafür gibt es keinen Zeugen.« Tabor hatte sie erreicht. Er ging leicht gekrümmt, als hätte er Schmerzen. Seine Männer nahmen hinter ihm Aufstellung, und Gabriella sah, wie auch Darrans Männer sich
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