Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
Herrscherlinie und den Bund mit den Nebeln weiterzuführen.«
Ehe Gabriella sich von dem Schrecken erholt hatte, zog Alderan sein Schwert und ließ sich vor ihr auf ein Knie nieder. »Nach Levana, der mein Leben gehört, schwöre ich Euch die Treue, Gabriella Bramante.«
Levana sah ihn einen Atemzug lang an, dann trat sie neben ihn und zog ebenfalls ihr Schwert. Zu Gabriellas Erleichterung sagte sie jedoch nur: »Meine Freundschaft und Liebe, Gabriella. Ich erkenne dich als Strabos Erbin an. Und als meine künftige Schwägerin«, setzte sie mit einem verschmitzten Blinzeln hinzu.
Einige der Männer und Frauen in der Halle folgten Alderans Beispiel, selbst der alte Mann mit seinem Gefolge. Andere sahen sich unschlüssig um.
»Das ist eine Farce!«, empörte sich Tabor mit seiner hohen Stimme. »Ich werde mich selbst davon überzeugen, dass Levanas Schatten die Wahrheit gesprochen hat! Und ich verlange, dass diese Frau vor meinen Augen in ihrem Tempel Verbindung mit ihren Ahnen aufnimmt! Andernfalls werde ich sie und alle anderen, die ihr zustimmen, der Lüge bezichtigen!«
»So soll es sein«, ließ sich Alderans Mutter vernehmen. »Morgen, wenn die Sonne unser Land erweckt, wie es seit Jahrtausenden üblich war.«
Tabor drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verließ mit seinen Anhängern die Halle.
Gabriella sah ihnen nach, bis Alderans Mutter leicht ihren Arm berührte. »Du musst es tun. Niemand sonst kann jetzt den Platz der Tradition gemäß einnehmen«, sagte sie leise, aber eindringlich. »Andernfalls wird ein neuer Krieg ausbrechen.«
»Aber …« Gabriella wurde klar, dass sie hier in etwas hineinschlitterte, das sie nie geahnt, geschweige denn, gewollt hätte. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Alles drehte sich um sie, ihre Knie zitterten, die Stimme wollte versagen, ihr brach der Schweiß aus, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis ihr Fluchtinstinkt die Oberhand gewann und sie entweder in Ohnmacht fiel oder davonrannte.
»Soll die Vatermörderin gewinnen?«, fragte die Frau ernst.
Gabriella schüttelte stumm den Kopf.
»Dann sprich jetzt zu jenen, die dir folgen.«
Gabriella ließ ihren Blick über diejenigen wandern, die noch in der Halle warteten. Als das erwartungsvolle Schweigen anhielt und Darran ihr ebenfalls aufmunternd zunickte, holte sie tief Luft und sagte laut: »Ich nehme das Erbe meines Vaters an.« Mögen Gott oder die Nebel oder wer auch immer mir und diesem Land helfen, dachte sie erschöpft.
Levana umarmte sie. »Du hast recht gehandelt, Schwester.«
»Tja«, murmelte sie ironisch, als sie Levanas Umarmung erwiderte. »Gabriella Bramante for president. Lang lebe die Republik Amisaya.«
»Das klingt gut.« Levana riss ihr Schwert in die Höhe und rief: »Lang lebe die Republik Amisaya!« Aus dem Mundwinkel fragte sie, zu Gabriella gewandt: »Was ist das, eine Republik?«
Links von ihnen hörten sie ein ersticktes Geräusch. Es war Alderan. Er lachte leise.
***
Gabriella stand nun schon gut fünfzehn Minuten ihrer Zeitrechnung – ein Blick auf ihre Armbanduhr bestätigte dies – vor dem Ahnentempel ihrer Familie und starrte hinüber, ohne sich zu rühren. Darran wartete dicht hinter ihr, hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt, und wenn sie sich ein wenig zurücklehnte, konnte sie seine beruhigende und zugleich tröstliche Nähe noch intensiver spüren. »Es wird dir nichts geschehen«, sagte er in leisem, aber eindringlichem Ton, als müsste er sich selbst Mut machen. »Ich würde mit dir gehen, aber deine Ahnen würden mich nicht akzeptieren.«
Gabriella schauderte. »Hast du das je gemacht?«
»Als junger Mann. Damals konnte ich sie fühlen. Nicht hören, nicht sehen, so wie du in der Halle, aber ihre Kraft spüren. Mein Vater erzählte mir, dass er zu seiner Zeit noch mit ihnen sprechen konnte.«
Auch Alderans Mutter hatte sich eingefunden. Sie stand neben ihrem Sohn und Levana, die sehr blass war, und um sie herum hatten sich Gruppen gebildet. Deutlich war zu erkennen, auf welchen Seiten sie standen. Jene, die Gabriella zugeneigt waren, hielten sich hinter ihr, während Tabors Anhängerschaft sich um ihn versammelte. Er sah gehässig herüber. Vermutlich hoffte er, dass Gabriella dieses Mal endgültig verschwand. Malina saß, unter strenger Bewachung, in Darrans Haus fest. Er hatte angeregt, sie in die Höhlen zu bringen, aber allein schon die Andeutung hatte Gabriellas Blick so starr werden lassen, dass er auf weitere Vorschläge dieser Art
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