Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
Beinen.
Resigniert senkte sie den Kopf. Es war besser, so zu tun, als schliefe sie, wenn er kam. Sie legte sich ins Bett und lauschte. Sie hörte, wie er aufschloss, die Tür hinter sich zuschlug. Ein unterdrückter Fluch. Auf Zehenspitzen kam er herein, eine Fahne nach Zigarettenrauch, Beislgeruch und Alkohol nach sich ziehend. Sie schauderte und verkroch sich tiefer in ihre Bettdecke.
»Bist du noch wach, Muschi?«
Sie hasste es, wenn er sie so nannte. Und mit Vorliebe vor seinen Freunden. Sie blieb ruhig liegen und versuchte, flach zu atmen. Er kam heran, und sie spürte, wie er sie betrachtete. Wenn er sie nur in Ruhe ließ.
Zu ihrer Überraschung beugte er sich herab und strich ihr über das Haar. »Schlaf gut, Putzi.« Dann schlurfte er zu seiner Bettseite. Sie hörte das Rascheln von Kleidung, als er sich auszog, alles nur auf den Boden warf, in dem Bewusstsein, sie würde alles am nächsten Morgen aufheben. Das Bett sank auf seiner Seite zusammen, knarzte. Ein Gähnen, er streckte sich, dann wurden seine Atemzüge regelmäßiger, und schließlich begann er leise zu schnarchen.
Rita wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
Zwölftes Kapitel
»Du siehst müde aus«, stellte Rita am nächsten Tag fest.
»Hm.« Gabriella war müde. Sie hatte kaum geschlafen, oder erst am frühen Morgen. Darran war die ganze Nacht über bei ihr geblieben – wie ein menschlicher Liebhaber.
»Müde und irgendwie zufrieden.« Rita hatte offenbar nicht vor, lockerzulassen.
Gabriella lachte. »Ich hatte schöne Träume.«
»Hm.« Rita legte den Kopf etwas schief. »Wenn du mich fragst, dann siehst du aus, als hättest du einen guten Liebhaber gehabt.«
Gabriella wandte sich errötend ab. Manchmal war ihr Rita zu direkt. »So ähnlich.« Ihr Blick huschte zum Fenster hinüber, dort, wo Darran stand und unverwandt zu ihr herübersah. Hatte sie in der Nacht wirklich Sex mit einem Körperlosen gehabt?
Jede Berührung hatte noch mehr Verlangen ausgelöst. Eines, das nicht gestillt hatte werden können, weil sie – von körperlosen Küssen und Berührungen abgesehen – einander nie völlig besitzen konnten. Nie auf die Art, wie zwei Menschen einander besaßen. Und eine große Enttäuschung war es gewesen, als sie probiert hatten, ihn auszuziehen. Gabriella hatte »Wegdenken« und »Wegwünschen« vorgeschlagen, aber sein grauer Anzug war geblieben. Aber sonst … O ja, er hatte gewusst, was er mit ihr machte, wo er sie berühren musste, er hatte sie schon mit diesem elektrischen Prickeln zur Ekstase gebracht, auch wenn sie nicht einmal seine nackte Brust gesehen hatte. Und, sagte sie sich, schon seine Nähe machte sie glücklicher als jeder Sex, den sie bisher mit anderen gehabt hatte.
Sie sah schnell weg, als Ritas Blick ihrem folgte, und hob ein Papierschnitzel vom Boden auf, um den Ausdruck in ihren Augen vor ihrer Kollegin zu verbergen. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie, wie ernst Ritas Gesicht geworden war.
»Du, Gabi, ich muss dir etwas sagen, auch wenn es komisch klingt«, Rita hatte ihre Stimme gesenkt, damit nur Gabriella sie hören konnte.
Gabriella hob fragend die Augenbrauen.
»Du wirst mich sicher für verrückt halten.«
»Ja?« Gabriella lachte. Verrückter als sie, die sie eine erotische Nacht mit einem Unsichtbaren verbracht hatte?
»Es klingt aber wirklich plemplem.« Ihre Freundin wand sich verlegen.
»Macht ja nichts. Nur heraus damit. Mir kannst du alles sagen. Also«, nickte sie aufmunternd, als Rita immer noch zögerte.
Ihre Kollegin holte tief Luft, ehe sie leise hervorstieß: »Du wirst verfolgt.«
»Was?«
»Zumindest habe ich den Eindruck. Ich habe den Mann schon öfter gesehen. Nein! Schau nicht hin«, fuhr sie auf, als Gabriella sich Hilfe suchend zu Darran drehte. Rita packte sie mit erstaunlicher Kraft am Arm und zog sie mit sich in die Küche. »Du würdest sowieso nichts sehen. Aber er würde wissen, dass ich von ihm rede.«
»Wie bitte?« Gabriella wollte zum Fenster, aber Rita zerrte sie zurück.
»Nicht! Nicht alle von denen sind gut!«
»Wovon sprichst du denn?«
Rita sah sich vorsichtig um. Die Küche war leer, Antonio war in die Schule gefahren, um seinen Jüngsten abzuholen, der fieberte, und Murat flirtete im Gastraum wie immer mit einer älteren blonden Frau, die hier Stammgast war. Gabriella hörte ihr amüsiertes Lachen.
»Einmal ist er unten gestanden und hat zu deinem Fenster hinaufgesehen.«
Unter Gabriellas entgeistertem Blick schnitt Rita eine
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