Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
auch, weil sie eine Sprache sprach, die man weder hier in dieser Gegend noch sonst irgendwo auf der Erde hörte. Zumindest nicht mehr, seit die Alten die Barriere geschaffen hatten.
Markus sah sich um. Es dämmerte bereits, und der Marktplatz leerte sich. Der andauernde Schneeregen bewog die Menschen dazu, sich hier nicht unbedingt länger als nötig aufzuhalten. Wenn er sie überraschte, hatte er eine Chance. Gabriellas Jäger würde ihn unmittelbar darauf packen, aber das gäbe ihm auch die Gelegenheit, ihn zu warnen.
»Es ist doch auch gleichgültig, wann du vor Strabos Gericht erscheinst. Oder«, Malina hob spöttisch die Augenbrauen, und mit einem Mal lief eine Gänsehaut über Markus’ Rücken, »… hält dich noch etwas anderes? Vielleicht diese billige Frau?« Sie wandte ihm eine kalte Miene zu, ihre hellen Augen funkelten boshaft. »Mir war gleich klar, dass es leicht sein würde, dich zu überreden, hierherzukommen. Schon weil du sie wiedersehen wolltest.«
Eine Eiseskälte kroch über seine Haut, durchdrang seinen ganzen Körper, umkrallte schließlich sein Herz. Malina ließ ihm Zeit, die wachsende Gewissheit auszukosten.
»Solltest du Strabos Tochter nicht töten«, fuhr sie beiläufig im Plauderton fort, »dann wird dieses Geschöpf sterben. Und das nicht sehr angenehm. Es gibt auf der Erde mehrere Möglichkeiten, jemanden töten zu lassen. Geld kann hier sehr viel bewirken. Um den Jäger«, fuhr sie mit einer Stimme fort, die klirrte wie Glas, »musst du dir also, wie du siehst, keine Gedanken machen.«
Als Markus schwieg, lachte sie auf. »Hat man dir gesagt, wer der Jäger ist? Hält dich das etwa ebenfalls auf?« Ihre Augen funkelten. »Ramesses. Absurd, nicht wahr? Ausgerechnet er läuft Strabos Tochter nach wie ein Hündchen. Ausgerechnet der Tochter jenes Mannes, der seinen Vater getötet und ihn zerstört hat. Aber wie dem auch sei, er wird nicht hier sein, wir sorgen dafür, dass er zur Jagd gerufen wird.« Sie beugte sich näher, und Markus hatte Mühe, nicht vor Ekel zurückzuweichen. »Wir wollen ja nicht unnötige Komplikationen, nicht wahr?«
Er hätte gern die Augen geschlossen. Er hätte sich gern zurückgezogen und einfach alles vergessen: Amisaya, Malina, Strabo und Gabriella Bramante, diese harmlose junge Frau. Und vor allem sich selbst. An ihm lag allerdings am wenigsten. Er nickte langsam. »Gut. Ich tu es.«
»Morgen Nacht«, sagte sie in scharfem Ton. Ihre Augen glühten. »Und du wirst nicht allein sein, sondern tatkräftige Unterstützung haben.« Ein süffisantes Lächeln folgte diesen Worten.
Markus drehte sich um und ließ sie einfach stehen. Seine Schritte waren schwerfälliger als sonst. Es war ihm, als lasteten zwei Welten auf ihm.
***
»Hast du ihn danach noch öfter gesehen?«
Gabriella und Rita hatten es sich im Lagerraum auf zwei umgedrehten Getränkekisten bequem gemacht. Vorgeblich, um die Bestände zu sichten. Ritas Block, auf dem sie die Vorräte notieren wollte, lag jedoch unbenützt auf einem Sack mit Kartoffeln. Antonio hätte in diesem Augenblick zweifellos festgestellt, dass dringend die Wände ausgemalt werden müssten, aber die beiden Frauen hatten für abblätternden Verputz keinen Blick übrig.
Rita starrte auf die Coladose in ihrer Hand. Sie schwieg so lang, dass Gabriella schon glaubte, sie würde nicht weitersprechen wollen, aber endlich sagte sie leise: »Sehr oft. Und irgendwann habe ich mich in ihn verliebt.«
Gabriella seufzte unwillkürlich.
»Er … war so anders. Anders als die Kerle, mit denen ich sonst zu tun hatte. So höflich. Hat sich so hübsch ausgedrückt. Charmant. Ein richtiger Gentleman.« Sie sah hoch. »Er konnte mich nicht berühren. Das heißt, er ist jedes Mal durch mich hindurchgefahren, wenn er das wollte.«
»Und was hast du gespürt?«
Rita sah sie verwundert an. »Nichts. Ich sag’ ja, er konnte mich nicht berühren. Und ich ihn auch nicht.«
»Ja, aber hat es denn nicht irgendwie … hm … geprickelt? Als würdest du elektrischen Strom berühren?«
»Na ja, das schon.« Ihre Freundin lächelt schief. »Ich war ganz wild auf ihn, irgendwann. Und er auf mich. Aber es war, als hätte ich mich in ein Hologramm verliebt, wenn du weißt, was ich meine – diese Dinger, durch die man hindurchgreifen kann, ohne dass man irgendetwas spürt. Geprickelt«, ergänzte sie, »hat es nur hier drinnen.« Sie legte die Fingerspitzen auf ihr Herz. »Und hier.« Sie tippte sich an den Kopf.
»Und sonst hast du ihn nicht
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