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Tochter der Träume / Roman

Tochter der Träume / Roman

Titel: Tochter der Träume / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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meine Mutter, keineswegs beunruhigt.
    Die Gewissheit in ihrem Ton missfiel mir. »Aber er wird dich nicht als Komapatientin behandeln. Er wird deinen Zustand behandeln wie etwas, das du dir selbst zuzuschreiben hast. Er weiß angeblich, wie er dich wecken kann.«
    »Nein, das wird nicht passieren.« Diesmal antwortete Morpheus.
    Die Gewissheit in seinem Ton missfiel mir noch mehr. »Das scheint euch ja herzlich wenig zu kümmern.«
    Meine Mutter trat einen Schritt auf mich zu. »Dawn …«
    Ich hob abwehrend die Hand. »Deine Familie vermisst dich. Sie haben Tausende von Dollar für Ärzte ausgegeben, weil sie dich zurückhaben wollen. Und du besitzt nicht einmal genug Anstand, ihnen die Achtung zu schenken, die sie verdienen.« Es schnürte mir die Kehle zu. »Sie denken, sie haben dich verloren. Sie haben keine Ahnung, dass du aus freien Stücken gegangen bist.«
    Sie trat einen weiteren Schritt auf mich zu, und ich sah nur noch einen Tränenschleier, trotz meiner Wut. »Dawn, ich musste mein eigenes Glück verfolgen.«
    Ich wich zurück, als sie mich berührte, wollte ihre Hände nicht auf mir spüren. »Was ist mit Dad – deinem Ehemann? Sein Leben steht still, während du dich hier von deinem Geliebten vögeln lässt.«
    Morpheus stellte sich aufrecht hin und maß mich mit einem Blick, bei dem die meisten Sterblichen vor Angst vergehen würden. »Sprich nicht so mit deiner Mutter.«
    »Hör auf!« Ich funkelte ihn böse an. »Du musst hier nicht den Daddy spielen, schon gar nicht, wo du der Grund des ganzen Übels bist.«
    »Ich hatte nie die Absicht, jemanden zu verletzen«, meinte meine Mutter bestimmt. »Aber es gab keine andere Möglichkeit.«
    Wenn ich daran dachte, wie sehr mein Bruder und meine Schwester sie vermissten, wie sehr ihre Enkelkinder sie vermissten … »Du hättest auch Selbstmord wählen können.« Kalte Worte, aber wahr.
    Beide starrten mich an, als trauten sie ihren Ohren nicht. Und ich setzte noch eins drauf. »Auch die Toten können in diese Welt kommen. Das weiß selbst ich. Du bist einfach nur selbstsüchtig.«
    Meine Mutter knickte buchstäblich ein. Das Gesicht meines Vaters erbleichte, und mir liefen die Tränen über die Wangen. »Wie idiotisch von mir, hierherzukommen«, knirschte ich. »Wie idiotisch von mir zu denken, ich könnte irgendetwas ändern. Ich ertrage es nicht, was du deinen Kindern angetan hast. Und ich ertrage es nicht, die Wahrheit zu kennen. Und … ich ertrage deinen Anblick nicht.«
    Da hatte Morpheus seine Sprache wiedergefunden. »Es reicht.«
    Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Augen. »Ganz recht, es reicht. Ich werde meinen Teil der Abmachung erfüllen und hierherkommen, bis Karatos geschnappt ist. Danach bin ich fertig mit euch. Ich werde meine Familie nicht verraten, so wie sie es getan hat.«
    Und dann – wie die Heldin in einem Roman oder Film – machte ich auf dem Absatz kehrt und lief davon, zurück zum Portal und direkt in mein Schlafzimmer. Ich sah nicht zurück.
    Auch wenn ich es gern getan hätte.
     
    Ich habe vielleicht keinen Blick zurückgeworfen, aber zurück
gegangen
bin ich sehr wohl. Und zwar noch in derselben Nacht. Es war unvermeidbar, sobald mich der Schlaf übermannt hatte. Als Mensch brauchte ich regelmäßigen Schlaf, obgleich mich eine körperliche Reise in die Traumwelt genauso erfrischen konnte wie ein Nickerchen. An diesem Abend ließ ich mich ganz bewusst ins Reich der Träume treiben, anstatt die Träume zu mir zu holen.
    Ich musste mich irgendwohin begeben, wo es ruhig war, wo ich mich sicher und geborgen fühlen und in Ruhe nachdenken konnte. Die Welt um mich herum verblich und erschien dann wieder wie neu – hell und klar und so strahlend schön wie der Strand im ländlichen Nova Scotia, ganz in der Nähe des Hauses meiner Großmutter, wo ich als Kind viele Sommer verbracht hatte.
    Ich saß hoch oben auf einer Felszunge aus Sandstein, ungefähr sechs Meter über dem Steilufer. Ich war umringt von hohen Bäumen, die ihre Wurzeln tief in den satten, rotbraunen Boden gruben. Nicht mehr lange, dann hätten Ahorn und das Immergrün den Kampf gegen die Erosion verloren und würden auf den sandigen Boden tief unter mir stürzen.
    Die Brise, die sanft durch mein Haar strich, war warm und salzig, rein und frisch. Die Flut hatte ihren Höchststand fast erreicht. Hin und wieder wogte sie bis an den Fuß des Felsens heran und überspülte den Strand vollständig. Heute aber würde ich sie aufhalten.
    Ich hatte

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