Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter der Träume / Roman

Tochter der Träume / Roman

Titel: Tochter der Träume / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
Vom Netzwerk:
Bauch steckte. »Lass deine Waffe
nie
bei deinem Feind zurück.«
    Ich sah ihm zu, fasziniert und abgestoßen zugleich – und ja, auch ein bisschen wütend auf mich selbst –, während er sich die Klinge aus dem Körper zog, so wie Karatos es getan hatte. Diese Lektion hätte ich längst gelernt haben müssen.
    Aber im Gegensatz zu Karatos wischte mein Vater die Klinge nur kurz an seinem Hemd ab und reichte mir den Dolch dann mit dem Griff voran zurück. Mit tauben Fingern nahm ich ihn an mich und starrte Morpheus entgeistert an, als er sein Hemd hob, unter dem eine klaffende, blutige Wunde zum Vorschein kam.
    Wie gebannt sah ich zu, als er die Hand flach darauflegte. Ein matter Schein erstrahlte aus seiner Hand. Kurz darauf waren die Schweißtropfen verschwunden, die ihm auf der Stirn gestanden hatten, genauso wie die Falten, die sich vor Schmerz darin eingegraben hatten. Seine Gesichtszüge entspannten sich, und das Blut auf seiner Haut floss dorthin zurück, woher es gekommen war. Sein Körper nahm es wieder in sich auf, heilte sich selbst. Als er nach fünfzehn bis zwanzig Sekunden die Hand von der Wunde hob, war nichts mehr von meiner rohen Gewalt zu sehen – bis auf das Blut auf seinem zerrissenen Hemd. Morpheus hatte eine viel tiefere Wunde in viel kürzerer Zeit zu heilen vermocht, als es mir gelungen war, mich von Karatos’ Schlägen zu erholen.
    »Tolle Begabung«, scherzte ich heiser. Mir war noch immer speiübel.
    Er lächelte. »Ja, das hat sich über die Jahre hinweg als recht nützlich erwiesen.« Dann sah er mich verwundert an. »Das war gut. Ich habe nicht gesehen, wie du angegriffen hast.«
    Ich stand da, stumm und mit klopfendem Herzen. »Was?«
    »Du warst so schnell, dass ich dich nicht habe kommen sehen.«
    So schnell war es mir gar nicht vorgekommen. »Hm. Wie kommt das?«
    Er sah mich noch immer an. »Es gibt nicht viele in dieser Welt, die sich so blitzschnell bewegen können.«
    Ich versuchte zu lächeln. »Nun, wenigstens bin ich nicht die Einzige.« Ich befand mich in bester Gesellschaft. Plötzlich stieg mir ein vertrauter Geruch in die Nase. Nein, eigentlich kein Geruch … eher … ein Gefühl – eine sichere Ahnung von der Präsenz einer weiteren Gestalt.
Lola.
Ich konnte sie dicht bei mir spüren. Dennoch – es war nicht
sie
. Es war nicht die quirlige Lola, die ich kannte, die stets vor Lebensfreude und Temperament sprühte. Ihre Wesensessenz wirkte irgendwie verwässert, vermischt mit einem Haufen anderer Leute. Lola
light
 – sozusagen. Sofort schrillten alle Alarmglocken in meinem Kopf los und riefen eine Erinnerung wach. Antwoine. Mit einem Schlag fiel mir ein, was er über seinen Sukkubus gesagt hatte, nämlich, dass sie fähig gewesen war, sie beide vor meinem Vater versteckt zu halten.
    Ruckartig sah ich auf. »Karatos.«
    Morpheus’ Züge verspannten sich, und er wurde kreidebleich. »Wo?«
    Ich sah mich um, aber da war nichts. Doch ich wusste, dass er ganz in der Nähe war …
    Keinen Wimpernschlag später war mein Vater plötzlich verschwunden. Besser gesagt, ich war verschwunden, kraft einer weiteren Fähigkeit meines Traumwesendaseins, von der ich bislang nichts gewusst hatte und die ich offenbar nicht kontrollieren konnte. Ich hatte mich direkt an die Quelle des »Lola«-Gefühls teleportiert, und – wie sollte es auch anders sein? – ich hatte Gesellschaft.
    Ich stand auf dem gestampften Fußboden inmitten eines römischen Amphitheaters, umringt von einer jubelnden Menge. Ich konnte den Schweiß riechen und die Tiere. Und ich konnte die kaum gezügelte Aggression der Menge spüren, ihre Blutgier. Nur wenige Meter von mir entfernt, im Gewand der alten Kaiser mit goldener Krone auf dem Kopf, entdeckte ich Karatos. Der Aufzug stand ihm zugegebenermaßen gut. Mit einem selbstgefälligen Lächeln sah er auf Noah herab, der sich gerade den Staub von der Jeans klopfte und aus dem Mund blutete.
    »Hübsches Outfit«, rief ich, um Karatos’ Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.
    Völlig überrascht sah er auf, und Noah ergriff die Gelegenheit, um Karatos einen so heftigen Tritt gegen die Luftröhre zu verpassen, dass der Dämon der Länge nach hinschlug. Noah schwenkte auf dem Absatz herum und rannte auf mich zu.
    »Du musst von hier verschwinden«, rief er wütend und gab mir einen Schubs, der mich zum Fortlaufen animieren sollte.
    »Sei nicht dumm«, erwiderte ich, blickte ihn ebenfalls böse an und riss mich los. »Du hast hier nichts zu melden, Noah.

Weitere Kostenlose Bücher