Tochter der Träume / Roman
gar nicht. »Wonach sieht es denn aus? Warren hat mir eine Aikido-Stunde gegeben.«
Noah blickte mir forschend ins Gesicht. Falls er nach Lügen suchte, würde er keine finden.
»Der Bluterguss stammt nicht von Warren.«
»Nein. Ein Geschenk von Karatos. Oh, übrigens, er lässt dich grüßen und ausrichten, dass er dich als Nächstes holen kommt – sobald er mich getötet hat.« Ich hätte es anders sagen sollen, schonender, netter – aber die Worte sprudelten nur so aus meinem Mund hervor und ergossen sich wie ein umgestoßener Eimer Wasser über ihn.
Er erblasste, sagte aber nichts, und ich legte nach. »Deshalb bin ich hier, falls es dich interessiert. Und da du ja nicht mehr vorhast, in die Klinik zu kommen, blieb mir nichts anderes übrig.«
»Dawn, ich …«
Ich hob die Hand. »Spar dir die Worte. Ich will es gar nicht hören. Schon kapiert. Du willst meine Hilfe nicht. Aber besser wäre, du gewöhnst dich langsam dran. Denn es ist mein verdammter Job, einzugreifen, bevor es zu spät ist. Und falls das bedeutet, mich in deine Träume zu begeben oder an Orten aufzutauchen, wo es dir nicht passt, dann hast du eben Pech gehabt – scheiß auf deine Privatsphäre.«
Verdutzt starrte er mich an, was ich ihm nicht übelnahm. Doch jetzt kam ich erst richtig in Fahrt. »Ich werde nicht zulassen, dass dieser Dämon dich benutzt oder verletzt, und deshalb wirst du mich in nächster Zeit öfter zu Gesicht bekommen, Noah, ob es dir passt oder nicht. Ab sofort werde ich in jedem deiner beschissenen Träume erscheinen, und zwar so lange, bis Karatos vernichtet ist, kapiert?«
Ich versuchte, den Eindruck meiner Worte von seinem Gesicht abzulesen, war mir aber nicht ganz schlüssig, was er in diesem Augenblick lieber getan hätte – mich küssen oder umbringen. Vielleicht ein bisschen von beidem, aber er nickte immerhin, wenn auch ein wenig steif und unbeholfen. »Kapiert.«
»Schön. Dann kann ich ja weitermachen mit meinem Training, es sei denn, du willst noch etwas loswerden.«
Er biss die Zähne zusammen und blickte mich unverwandt an. »Ja, will ich.«
Ich schluckte, und meine Selbstsicherheit schwand ein wenig, als er die Schultern straffte. »Was?«
Mit ein paar hastigen, ausgreifenden Schritten hatte er den Raum zwischen uns überwunden. Nur wenige Zentimeter trennten uns noch, als ich seine streichelnden Hände auf meinen Schultern spürte, ihre Wärme, die durch mein verschwitztes Shirt bis auf meine Haut drang.
»Ich bin aus der Studie ausgestiegen, damit ich keine Ablenkung mehr für dich bin.«
Ablenkung.
Ich hasste es, wenn man mir meine eigenen Worte vorhielt. Vor allem, wo ich mich selbst am meisten darüber ärgerte, dass ich sie ihm an den Kopf geworfen hatte.
»Noah …«
Er zog mich an sich. »Ich habe an der Schlafstudie nur teilgenommen, weil sie eine Möglichkeit bot, dich öfter zu sehen.«
»Oh.« Seine Worte raubten mir den Atem.
Er neigte den Kopf, und eine pechschwarze Strähne seines Haars fiel ihm in die Stirn. »Du erschreckst mich zu Tode. Mit dir gibt es einfach keine Grenzen, keine schützenden Mauern. Ich habe dir noch nicht einmal die Hälfte meiner Geheimnisse erzählt, aber es kommt mir vor, als würdest du sie bereits alle kennen.«
Das war zwar nicht als Kompliment gedacht, doch es wärmte mir das Herz. »Ich werde mich nicht dafür entschuldigen …« Er schnitt mir das Wort ab und küsste mich so wild und stürmisch, dass ich kaum mehr denken oder auch nur atmen konnte. Ich krallte mich an seiner Jacke fest, und meine Lippen bebten, während meine Knie zu zittern begannen und mein Herz wild raste. Ich fühlte, wie das Blut durch meine Adern jagte, gefolgt von prickelnder Erregung, obgleich er mich bloß mit Händen und Lippen berührte. Ich spürte ihn mit jeder Faser.
Wem wollte ich eigentlich etwas vormachen? Ich hatte keine Angst mehr, ihm meinen Körper oder auch mein Herz zu schenken. Vielmehr hatte ich nun Angst, dass weder das eine noch das andere gut genug wäre – ein völlig dämlicher Gedanke.
Ich erwiderte seine Küsse und gab ihm zu verstehen, dass ich keinen Rückzieher mehr machen und ihn wirklich kennenlernen wollte. Ich würde allerdings weiterhin unheimliche Dinge tun. Ich war gern unheimlich.
Noah löste seine Lippen von meinen und atmete schwer, als er seine Stirn an meine legte. »Wenn ich dich schon in meinen Träumen am Hals habe, dann wirst du mich auch nicht mehr los, Doc. Mag sein, dass du Angst hast vor dem, was zwischen uns
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