Tochter der Träume / Roman
Sosehr ich es hasse, dir das sagen zu müssen, aber ich bin die Einzige, die deinen Hintern retten kann.«
»Nun, da Karatos gerade auf seinen gefallen ist, komme ich ganz gut klar.« Nein, man konnte wirklich nicht behaupten, dass Noah meine Einmischung gefiel. Dabei dachte ich, wir hätten uns in unseren Träumen künftig gegenseitig am Hals – hatten wir das nicht so abgemacht?
»Er sitzt gar nicht mehr auf seinem Hintern.«
Noah drehte sich um, und wir beobachteten, wie Karatos die Krone und sein ledernes Brustschild zurechtrückte. Das Ganze wäre ein amüsanter Anblick gewesen, wenn nicht Noahs Blut gerade auf meinen Schuh getropft wäre.
»Dawn!« Karatos begrüßte mich mit einem breiten Grinsen. »Wie schön, dass du dich zu uns gesellst. Hast du dein kleines Schlachtmesser dabei?«
»Das weißt du ganz genau«, antwortete ich keck. »Hast du mich angelogen, Karatos? Du hast mir erzählt, du hättest nicht vor, Noah etwas anzutun.«
Ein Hauch von Empörung flog über sein wildes Gesicht. »Ihm etwas antun! Natürlich nicht. Aber du weißt ja, wie Kinder so sind, Dawnie. Manchmal muss man ihnen zeigen, wer der Boss ist, sonst spuren sie nicht.« Er lächelte Noah zu. »Du weißt jetzt, wie das geht, nicht wahr, Noah?«
Ich sah Noah an, dass es ihm peinlich war, dass ich Karatos’ Bemerkung mitgehört hatte. Dieses Verhalten war mir völlig neu. Wenn er Wut oder Angst gezeigt hätte, wäre ich wohl nur halb so alarmiert gewesen. Was war mit ihm geschehen?
»Für dich Arschloch werde ich bestimmt nicht spuren«, zischte Noah durch die Zähne.
Karatos sah ihn mit gespielter Traurigkeit an. »Ich hatte dich eigentlich gar nicht so brutal nehmen wollen, Junge, aber du hast mir keine Chance gelassen.«
Etwas in seinen Worten ließ mich schaudern. Nehmen? Worum ging es hier? Karatos hatte behauptet, es läge ihm nichts daran, Noah zu töten, und er hätte dazu inzwischen mehrere Gelegenheiten gehabt. Was also wollte er mit Noah? Wieso schlug er ihn immer wieder nieder, körperlich wie seelisch? Er wollte ihn offenbar schwächen, aber nicht töten.
»Und
du
…«
Mein Kopf fuhr ruckartig hoch bei der Schärfe in Karatos’ Ton. Er stolzierte auf mich zu wie ein Löwe, der Appetit auf einen Gladiator zum Mittagessen hatte. »Du machst mich allmählich richtig sauer, kleines Morgenlicht.«
Meine Frechheit war wie weggeblasen angesichts seines flammenden Zorns. Gut, er hatte vielleicht nicht die Absicht, Noah zu töten, aber es wäre ihm ein Vergnügen, mich abzuschlachten, und weiß der Himmel, was er mit meiner Leiche anstellte, bevor er mich zu Morpheus schickte.
»Ich kann ihn dir unmöglich überlassen, Karatos.« Ich sprach mit ruhiger Stimme. »Und das weißt du.«
Er lachte höhnisch, verzog sein hübsches Gesicht zu einer Fratze. »Das würde mich – vielleicht – beeindrucken, wenn du ein vollblütiges Traumwesen wärst. Aber du bist nichts als ein kleines Mädchen ohne seine Mami, das verzweifelt um die Aufmerksamkeit eines Jungen buhlt, der es nie lieben wird.«
»Möglicherweise hast du recht«, antwortete ich und zog meinen Dolch hervor. »Aber ich bin auch Tochter des Morpheus, Thronerbin dieses Reichs, und du wirst mir gehorchen oder sterben.«
Oh, welch mutige Worte! Karatos war davon genauso überrascht wie ich. Und was noch viel absurder war, ich spürte ihre Kraft und Wahrheit durch mein Blut rauschen. Ich trat einen Schritt auf ihn zu. »Warum rufen wir nicht meinen Vater? Jetzt, sofort. Hören wir, was er dazu sagt?«
Karatos wirbelte herum, und ich holte aus, um ihn zu packen, weil ich dachte, er wolle fliehen. Stattdessen stürzte er sich auf Noah, der völlig überrumpelt war und keine Zeit zur Gegenwehr fand. Ich hatte noch nie erlebt, dass sich ein Wesen so schnell bewegen konnte wie Karatos. Wie betäubt stand ich da und konnte nur starr vor Schreck zusehen, wie der Dämon Noah buchstäblich eine Faust in die Brust schob.
Helles Licht umflackerte Karatos’ Arm, der bis zum Handgelenk in Noah steckte. Noah brüllte, als die Hand des Dämons in ihm wühlte. Seine Schreie rissen mich schließlich aus meiner Starre, und ich stürzte mich blitzschnell auf Karatos.
Aber ich war noch immer nicht schnell genug.
Ich warf mich auf den Dämon, so dass er rücklings auf dem dreckigen Boden landete. Mit beiden Händen hielt ich meinen Marae-Dolch umklammert und schlitzte dem Dämon mit aller Kraft, zu der ich fähig war, die Kehle auf. Ich spürte, wie die Klinge Fleisch und
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