Tochter der Träume / Roman
ist. Ich jedenfalls habe keine. Ich weiß, du denkst, du kriegst das hier allein in den Griff, aber da irrst du dich. Du brauchst mich. Und ich brauche dich.«
Ich glaube, das waren die längsten Sätze, die er je an einem Stück an mich gerichtet hatte – und ich glaube, auch die reizendsten. »Gut.«
Er hob eine Braue. »Gut?« Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. »Dann werde ich dich jetzt weiter küssen. Und dich weiter berühren – und falls ich dich in mein Bett bekomme, dann werde ich dort weitermachen.«
Vielleicht war es nicht klug, oder vielleicht war ich auch verzweifelt. Aber in diesem Augenblick erfasste mich ein Glücksgefühl, das ich nicht analysieren wollte. »Ich denke, das würde mir gefallen.«
Sofern wir beide überlebten.
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Kapitel 15
D u musst die Klinge nach oben führen, als wolltest du einen Fisch ausnehmen.« Morpheus gestikulierte lebhaft mit dem Dolch und durchschnitt mit einer weichen, fließenden Bewegung die Luft.
»Ich habe noch nie einen Fisch ausgenommen«, antwortete ich, während ich die Bewegung nachzuahmen versuchte. Mein Dolch mochte meinem Willen zwar gehorchen und fand auch immer wieder zu mir zurück, aber es wäre weitaus wirksamer, wenn ich wüsste,
wie
ich ihn zu führen hatte.
»Noch nie?« Die Stimme meines Vaters überschlug sich fast vor Erheiterung. »Dann müssen wir das schnell ändern.«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte ich mit einem schiefen Blick.
Er drehte sich zu mir um und lachte leise in sich hinein. »Gut, dann keinen Fisch. Wie wäre es stattdessen mit einer Runde Kampftraining? Ich bin dein Angreifer.«
»Mit echten Klingen? Was, wenn ich dich verletze?« Er blickte mich so zweifelnd an, wie ich mich fühlte, der gemeine Hund.
»Dann werde ich mich heilen.«
Natürlich hatte ich gegen ihn nicht den Hauch einer Chance, was mich wurmte, denn ich hätte ihn auch gern einmal geschlagen.
Leider war mir klar, dass ich nicht ernsthaft erwarten konnte, in wenigen Wochen dreizehn Jahre aufzuholen. Das war mir in letzter Zeit des Öfteren klargeworden, seit ich beschlossen hatte, mich in meiner Eigenschaft als Traumwesen anzunehmen und Karatos zu besiegen. Trotzdem versuchte ich es, denn eine andere Möglichkeit sah ich nicht, wenn ich verhindern wollte, dass Karatos munter weitermordete – und dabei auch mich erwischte, wenn ich Pech hatte.
»Hm, was, wenn du mich verletzt?«, fragte ich. Diese Frage war wesentlich angebrachter.
Er sah mich herausfordernd an. »Du musst einfach dafür sorgen, dass das nicht passiert. Genau darum geht es nämlich, wenn man mit echten Klingen kämpft.«
Fabelhaft. Er muss mir angesehen haben, was ich dachte, denn er lachte amüsiert. »Keine Sorge, Dawn. Es wird dir nichts passieren. Das verspreche ich dir.«
Wie er dieses Versprechen halten wollte, war mir zwar schleierhaft, aber ich wollte ihm gern glauben.
Grinsend ging Morpheus in eine leichte Hockstellung, was es gleich viel schwerer machte, ihn als Ziel zu fixieren. Dann begann er, mich zu umkreisen. »Komm schon, Mädchen. Gib dein Bestes.«
Ich grinste zurück. »Du brauchst mich nicht anzustacheln, darauf reagiere ich nicht, alter Mann.«
»Sicher tust du das.« Sein Grinsen wurde breiter. »Winzling.«
Ich ging zum Angriff über. Nicht, weil er mich Winzling genannt hatte, sondern weil es reine Zeitverschwendung gewesen wäre, wenn ich es nicht getan hätte. Er duckte sich unter meinem Schlag weg, aber nur knapp. Doch knapp vorbei war auch daneben. Außerdem war ich sicher, dass ich mich zurückhielt, weil ich ihn nicht verletzen wollte – und damit tat ich mir selbst keinen Gefallen.
»Gut«, sagte Morpheus ermutigend. »Das nächste Mal nicht so zögerlich.«
Das nahm ich mir zu Herzen. Ich dachte nicht nach, zögerte nicht, stürzte auf ihn zu und wurde sogleich mit einem Treffer belohnt. Ein scheußliches Gefühl überkam mich, als ich spürte, wie mein Dolch durch seine Muskeln glitt.
Seine Augen weiteten sich kurz vor Schreck und schlossen sich, als er schaudernd gegen mich fiel. Entsetzt wich ich zurück. Ich hatte ihn niedergestochen. Kurz spürte ich so etwas wie Siegesfreude aufflackern, die aber schlagartig versiegte, als mir dämmerte, was ich angerichtet hatte. An meinen Händen klebte sein Blut – klebrig und heiß.
Mir war speiübel.
Morpheus’ Wimpern flatterten, dann suchte sein klarer Blick den meinen. »Regel Nummer eins«, ächzte er, während er den Griff des Dolchs umfasste, der in seinem
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