Tochter Der Traumdiebe
unterschiedliche Aspekte der Elemente. Sie schützen ihre Reiche gut, doch es gibt starke Rivalitäten unter ihnen. Sie können auch wankelmütig sein. Dies ist keine Arbeit für die sharnah, die Sturmmacher, sondern für die H’Haarshann, die Schöpfer der Wirbelwinde.«
Darauf schwieg ich. Meine Instinkte rieten mir, umzukehren, zurückzugehen, den Wasserfall zu finden und nach Hameln weiterzureisen. Ich wollte lieber die Schrecken eines Konzentrationslagers der Nazis auf mich nehmen, als noch länger diesen übernatürlichen Gefahren ausgesetzt sein.
Die marschierende Armee hielt an. Man schlug ein Lager auf. Vielleicht musste Gaynor erst überlegen, wie er weiter vorgehen wollte? Die Zehn Söhne dienten als Wächter dieser großen Horde, indem sie einen weiten Kreis darum bildeten. Ich betrachtete die lodernden weißen Gestalten so gut wie möglich und versuchte zu erkennen, woraus die Zehn Söhne wirklich bestanden, doch sofort verschwamm es mir vor den Augen. Es war unmöglich, die Winddämonen länger als ein paar Sekunden anzuschauen.
Ich fragte mich, ob ich eine Art Grundstruktur im Innern der Zehn Söhne erkennen konnte, wenn ich mir ein Stück Gaze vors Gesicht band. Aber vielleicht täuschte ich mich auch, vielleicht gab es gar keine Grundstruktur.
»Erst die Zehn, dann Lady M«, murmelte Elric.
Es klang wie ein Kinderreim. Sogar sein Atem schien im Takt zu gehen, was ich vorher noch nicht bemerkt hatte. Er bewegte sich fast wie in einem Ballett. Auf Oona und mich achtete er kaum noch, die Augen blickten in eine unbestimmbare Ferne.
Ich runzelte die Stirn und wollte mich schon vorbeugen, um ihn an der Schulter zu berühren und ihn zu fragen, ob es ihm nicht gut ginge, doch Oona hob einen Finger an die Lippen und winkte mich fort. Sie sah ihren Vater erwartungsvoll an und wandte sich dann mit einem stolzen, besitzheischenden Strahlen wieder an mich, als wollte sie sagen: »Warte nur, mein Vater ist ein Genie. Warte es nur ab.«
Ich hatte ihn näher kennen gelernt, als sich überhaupt zwei menschliche Wesen kennen lernen können, tief in seinem Innern, als Seelen verbunden. Ich empfand große Achtung und große Zuneigung zu ihm. Doch erst jetzt wurde mir bewusst, dass er vielleicht wirklich ein Genie war.
Elric warnte uns, nach Möglichkeit leise zu sprechen, wenn überhaupt. Die Zehn Söhne hatten ein scharfes Gehör.
Auf einmal bewegte er sich, kletterte in der Nähe die Felsen hinunter, und murmelte, vielleicht als Antwort auf meine unausgesprochene Frage: »Altvater. Altvater braucht etwas frisches Blut.«
Er verschwand vorübergehend. Ich hörte ein musikalisches Geräusch. Weich, drohend. Ich sah ihn unten, wie er vorsichtig zu Gaynors Lager schlich. Rabenbrand hielt er blank gezogen in der rechten Hand.
Die Zeit verging. Das Lager schlief, ich beobachtete weiter.
Ich wartete, dass Elric zurückkehrte. Oona jedoch rollte sich zusammen und sagte mir, ich solle sie wecken, wenn ich müde würde.
Schließlich hörte ich unten Lärm und sah eine vertraute Gestalt. Elric schleppte etwas hinter sich her. Etwas, das grunzte und stöhnte, als es über den unebenen Felsboden geschleppt wurde.
Dann hatte er, immer noch unter mir, eine Stelle erreicht, wo die Felsen ein kleines natürliches Amphitheater bildeten. In dessen Mitte ließ Elric die Beute fallen. Der Mann wand sich einen Augenblick, bis er ihm einen Tritt versetzte. Dann sah ich Elrics Gesicht. Die Augen waren wie Glas, wie lodernde Rubine. Sie blickten in eine Welt, die ich mir nicht einmal ansatzweise vorzustellen vermochte. Sie blickten in die Hölle. Die Lippen murmelten, das Schwert zeichnete komplizierte Figuren in die Luft, der ganze Körper bewegte sich wie in einem Ritual - ein gespenstischer Tanz.
Oona erwachte und legte sich neben mich, um Elric zu beobachten, als dieser den Stoff aufschnitt, mit dem er seinen Gefangenen gefesselt hatte. Ich erkannte das entsetzte Menschenwesen. Es war einer der Nazis, die mit Gaynor hergekommen waren. Er knurrte wie ein eingesperrter Hund, doch in seinen Augen stand das blanke Entsetzen und er konnte sein Zittern nicht unterdrücken. Er versuchte Elric zu schlagen, doch Rabenbrand schoss vor und der Nazi zog die blutende Hand zurück. Rabenbrand traf ihn noch einmal - und über das Gesicht lief ein blutender Strich. Noch einmal - und das zerlumpte Hemd fiel von der Brust und entblößte einen weiteren blutenden Riss vom Hals bis zum Nabel.
Der Nazi jammerte und wollte fliehen, wollte
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