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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Verbündete, Götter, irgendetwas zu Hilfe rufen. Das Schwert kostete ihn. Genoss ihn. Ergötzte sich Tropfen um Tropfen an seinem Blut. Während er mit dem heulenden Häuflein Elend spielte, summte Elric ein gespenstisches, wortloses Lied. Die Melodie stieg und fiel. Ich staunte, dass solche Töne aus der Kehle eines Sterblichen kommen konnten. Sie schienen lauter zu werden, während der Nazi langsam starb, während Stücke von seinem Fleisch abgetrennt wurden. Das Schwert fuhr mit seinem präzisen, schrecklichen Werk fort.
    Oona starrte gefesselt hinunter. In diesem Augenblick war sie ganz und gar das Kind ihres Vaters. Sie sah aus wie eine Katze. Ich dagegen musste mich mehr als einmal abwenden. Diese Stimme machte mir Angst, diese steigende und fallende Melodie, die stärker und stärker wurde. Elrics Anblick, die wilden roten Augen, die nach oben verdreht in die Dunkelheit starrten, den Mund zu etwas geöffnet, das halb Gesang und halb ein Schrei war, das leuchtende weiße Fleisch und das mächtige schwarze Runenschwert, das vor seinen Augen einen Menschen in Stücke schnitt.
    Der Nazi war noch voll bei Bewusstsein. Dies hatte Elrics entsetzliche Kunst vollbracht. Er trug sogar noch die schwarzen SS-Stiefel und kniete vor meinem Doppelgänger. Tränen mischten sich ins Blut, das aus den Augenhöhlen strömte, nachdem Elrics Klinge die Augäpfel herausgelöst hatte, bis sie nur noch an einigen Muskelsträngen auf den Wangen hingen.
    Die meiste Zeit übertönte Elrics entsetzlicher Gesang das grässliche Schreien des Nazis und sein Flehen, ihn zu verschonen oder ihn endlich zu töten, und ich war dankbar dafür.
    Schwert und Mann bewegten sich im gleichen Rhythmus. Zwei Wesen, die in einem furchtbaren Pakt miteinander verbunden waren. So etwas hatte ich bei Rabenbrand nie gespürt. Elrics Umgang mit der Waffe schien das Böse im Eisen zum Leben erweckt zu haben. Rote Runen glitten auf der Schneide auf und ab und pulsierten wie Adern. Das Schwert schien sich an den exakt gesetzten, widerlichen Wunden zu weiden, die es unablässig ins blutige Fleisch des SS-Mannes schlug. Es war mit Abstand der abscheulichste Anblick, den ich je gesehen hatte.
    Wieder wandte ich mich ab. Dann hörte ich Oona keuchen und sah erneut hin.
    Rings um den geschundenen Körper des Nazis entstand eine zweite Gestalt. Sie wand sich und wuchs, als wäre sie lebendig.
    Langsam, wie eine Schlange, verschluckte sie Elrics Opfer, dann bewegte sie sich schneller und schoss aus dem Gequälten heraus nach oben. Sie fuhr zum Dach der Höhle hinauf und wirbelte oben wie eine Wolke. Eine Wolke, in der winzige Blitze zu zucken schienen. Sie nahmen die Farbe des Blutes von dem Mann an, der noch unten kreischte wie ein abgestochenes Schwein und allmählich erkannte, dass es noch Schlimmeres gab als das, was er bisher schon erlitten hatte. Schließlich erlahmte sein Widerstand und er ging in der Wolke auf.
    Ich hörte Elrics Stimme trotz aller anderen Geräusche. »Vater der Winde, Vater des Staubes, Vater der Luft. Vater des Donners. H’Haarshann Altvater. Ältester aller Väter. H’Haarschann Altvater, Vater der Ersten.« Ich kannte die Sprache, die er sprach, denn ich wusste jetzt alles, was er wusste. Ich wusste, dass er den armen Sterblichen demjenigen opferte, den er anrief.
    »Altvater! Altvater! Ich bringe dir, was der Herr der H’Haarshann verlangt. Ich bringe dir das kostbare Fleisch, das du begehrst.«
    Die Wolke grunzte. Sie war zufrieden. Sie gab ein leises Pfeifen von sich.
    Der rote Blitz begann zu tanzen und zu hüpfen und bildete eine neue Gestalt aus. Ich glaubte das schrumplige Gesicht eines rachsüchtigen alten Mannes zu sehen. Lange, dünne Haarsträhnen hingen bis auf die eingesunkenen Schultern hirtab. Ein zahnloser Mund schmatzte, als das Opfer verzehrt war. Dann grinste der Mund.
    »Du weißt, wie man einen alten Freund speisen muss, Prinz Elric.« Die Stimme war ein Hauch und ein Seufzen, ein Sturm und ein knatternder Wind zugleich.
    »Ich speiste dich, wie ich dich immer gespeist habe, H’Haarshann Altvater.« Mein Beinahe-Zwillingsbruder hatte die blutige schwarze Klinge wieder in die Scheide gesteckt und stand jetzt mit ausgestreckten Armen da, um dem Wesen die Ehre zu erweisen. »Wie ich dich immer speisen werde, solange ich lebe. So lautet unsere Abmachung. Geschlossen vor einer Million Jahren mit meinen Vorfahren.«
    »Aaaah …« Ein tiefes Seufzen. »An so wenige kann ich mich erinnern. Doch ich bin bereit, dir für

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