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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Ich fühlte mich, als wären ich und meine ganze Familie persönlich angegriffen worden. Dabei wusste ich sehr genau, dass längst das ganze Deutschland unter diesen Verletzungen zu leiden hatte. Ich kannte die Natur dieses Bösen und wusste, dass es nicht allein von deutschem Boden ausgegangen war, sondern im Grunde vom Boden aller kriegerischen Nationen. Es gedieh dank der Gier und der Furcht all dieser kleinlichen, selbstsüchtigen Politiker, die gegen die wahren Interessen ihrer Wähler verstoßen hatten, dank der wetteifernden und leeren politischen Formeln und all der gewöhnlichen Bürger, die nicht genau geprüft hatten, was ihre Anführer ihnen erzählten, nicht zuletzt auch dank der einfachen Leute, die sich in den Krieg und in den zwangsläufig darauf folgenden Untergang hatten führen lassen und die immer noch den Anführern hinterherliefen, deren Politik nur abermals ins Verhängnis führen konnte.
    Was war das für ein Todeswunsch, der ganz Europa ergriffen zu haben schien? Ein allgegenwärtiges Schuldgefühl? Die Erkenntnis, dass man die christlichen Ideale verraten hatte?
    Eine Art Wahnsinn, in dem jeden Augenblick Gefühlswallungen und überstürzte Handlungen miteinander wechselten?
    Endlich wurde es Nacht. Niemand hetzte uns. Oona fand in einem Graben einige alte Zeitungen, auf denen jemand geschlafen hatte. Sie waren gelb und voller Schlamm. Sie las die Blätter sorgfältig durch. Als sie fertig war, hatte sie einen Plan. »Wir müssen Herrn El finden«, sagte sie. »Prinz Lobkowitz. Wenn ich Recht habe, dann lebt er unter falschem Namen zurückgezogen in Hensau. Auch dort muss die Zeit weitergegangen sein. Wir sind jetzt einige Jahre weiter als zu dem Zeitpunkt, da Sie Deutschland verlassen haben. Er müsste inzwischen in Hensau sein. Oder jedenfalls lebte er dort, als ich ihn 1940 das letzte Mal dort aufgesucht habe.«
    »Was denn, sind Sie auch eine Zeitreisende?«
    »Früher dachte ich es, bis ich verstand, dass die Zeit ein Feld ist, in dem ein und dasselbe Ereignis immer wieder stattfindet. Die Art und Weise, wie wir in diesem Feld unsere Auswahl treffen, gibt uns ein Gefühl für die Sterblichkeit des Multiversums. Wir sind eigentlich keine Zeitreisenden, sondern wechseln nur von einer Realität in die nächste. Die Zeit ist relativ und subjektiv. Die Zeit ändert ihre Qualitäten. Sie kann instabil oder zu stabil werden. Die Zeit ist von Reich zu Reich unterschiedlich. Wir können dieses Reich verlassen und in einem ähnlichen wieder auftauchen, allerdings einige Jahrhunderte entfernt. So geschieht es, wenn jemand glaubt, er hätte die Zeitreise entdeckt. Wir sind, glaube ich, 1935 aus Hameln geflohen. Das war vor fünf Jahren. Jetzt schreiben wir den Sommer 1940 und Ihr Land führt Krieg. Anscheinend hat es einen großen Teil Europas besetzt.«
    Die alten Zeitungen gaben uns keinen Aufschluss, was zur derzeitigen Lage geführt hatte, aber ›das tapfere kleine Deutschland‹ kämpfte demnach jetzt allein gegen ein Dutzend aggressive Länder, die sich holen wollten, was sie nicht ohnehin schon geplündert hatten. Laut der Nazipresse forderte Deutschland nur das Land für sich, das es brauchte, damit sein Volk wachsen konnte - eine Region, die als ›Großdeutschland‹ bezeichnet wurde. Eine Bastion gegen den kommunistischen Goliath. Einige europäische Nationen wurden bereits als ›Provinzen‹ Deutschlands betrachtet, während andere ›heim ins Reich‹ geholt worden waren. Frankreich hatte einen Kompromiss erreicht, Italien unter Mussolini war ein Verbündeter. Polen, Dänemark, Belgien, Holland. Alle besiegt. Ich war entsetzt. Hitler war mit dem Versprechen an die Macht gekommen, dem deutschen Volk den Frieden zu bringen. Wir hatten uns danach gesehnt. Ehrliche, tolerante Menschen hatten für Politiker gestimmt, die versprachen, den inneren Frieden herzustellen und die Kriegsdrohung von uns zu nehmen. Adolf Hitler hatte uns in einen Krieg geführt, der schlimmer war als alle früheren. Ich fragte mich, ob seine Bewunderer ihm immer noch so begeistert zujubelten. Trotz all unserer selbstzerstörerischen preußischen Rhetorik waren wir im Grunde ein friedliches Volk. Welchen irren Traum hatte Hitler geträumt, dass er mein Volk noch einmal zum Marschieren bringen konnte?
    Endlich schlief ich und sofort war mein Kopf voller Träume. Ich sah heftige Schlachten und bizarre Erscheinungen. Ich erlebte alles, was mein Doppelgänger erlebte. Nur wenn ich wach war, konnte ich ihn aus meinem

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