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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Kopf vertreiben und selbst dann war es schwierig. Ich hatte keine Vorstellung davon, was er tat, abgesehen davon, dass er nach Imrryr zurückgekehrt und dort in den Untergrund gegangen war. Ein Geruch nach Reptilien…
    Wieder erwacht, las ich alles, was ich nur bekommen konnte. Doch das meiste von dem, was ich las, warf nur noch mehr Fragen auf. Ich konnte nicht glauben, dass Hitler so leicht an die Macht gekommen war und fragte mich, warum nicht mehr Menschen Widerstand leisteten, auch wenn das Dickicht von Lügen, die von den Zeitungen verbreitet wurden, viele anständige Menschen daran hinderte, sich ein klares Bild zu machen und sich dem Würgegriff der Nazis zu entziehen. Ich musste mir das Bild Stück für Stück zusammensetzen, doch es blieben viele Fragen offen.
    Die meisten Antworten konnte ich mir zusammenreimen, während wir zu Lobkowitz in Hensau reisten. Wir waren fast eine Woche lang unterwegs und bewegten uns hauptsächlich nachts. Die Wege durch die Wälder wagten wir kaum zu benutzen, von den Hauptstraßen ganz zu schweigen. Ich war ganz froh, dass ich tagsüber schlafen konnte, das machte meine Träume etwas leichter. Die Zeitungen wurden, sobald sie gelesen waren, benutzt, um Rabenbrand einzuwickeln. Unsere Waffen schienen nicht recht geeignet, die Befestigungen des Dritten Reichs zu bezwingen.
    Überall sahen wir Hinweise auf den Krieg. Lange Eisenbahnzüge mit Munition, Geschützen und Soldaten. Kolonnen von Lastkraftwagen. Dröhnende Bomberstaffeln. Große Trupps marschierender Männer. Manchmal sahen wir Schlimmeres. Viehwagen voller klagender Menschen. Wir hatten damals noch keine Vorstellung, in welchem Ausmaß Hitler sein eigenes Volk und die Bürger der eroberten Länder Europas morden würde.
    Wir reisten äußerst vorsichtig und bemühten uns, auch in kleinen Orten nicht die Aufmerksamkeit der Behörden zu erregen. Einmal riskierte Oona es, ein Kleid von der Wäscheleine zu stehlen. »Ich fürchte, man wird den Zigeunern die Schuld geben.«
    Da es in Hensau weder eine Eisenbahnstation noch eine Durchgangsstraße gab, war der Ort recht ruhig. Überall waren die üblichen Naziflaggen zu sehen und in der Nähe unterhielt die SS eine Kaserne, doch der Ort schien weitgehend frei von Militärangehörigen. Wir konnten verstehen, warum Lobkowitz sich hier niedergelassen hatte.
    Als wir endlich vor ihm standen, Oona in ihrem dünnen gestohlenen Kleid, boten wir gewiss einen recht erbärmlichen Anblick. Wir waren halb verhungert, meine Kleidung war zerlumpt. Wir trugen unpassende Waffen. Ich hatte die Sachen seit Tagen nicht mehr gewechselt und war übermüdet.
    Lobkowitz lachte, als er uns Getränke anbot und uns einlud, auf den bequemen Lehnstühlen Platz zu nehmen. »Ich kann euch aus Deutschland herausbekommen«, sagte er. »Wahrscheinlich nach Schweden. Aber das ist leider auch schon alles, was ich für euch tun kann.«
    Es stellte sich heraus, dass er eine Art ›Untergrundbahn‹ für jene betrieb, die den Unmut der Nazis erregt hatten. Die meisten gingen nach Schweden, während andere nach Spanien gebracht wurden. Er bedauerte, so sagte er uns, dass er keine magischen Kräfte besitze. Es gebe keine Möglichkeit, für diejenigen, die die Freiheit suchten, die Mondstrahlwege zu öffnen. »Bestenfalls kann ich ihnen Amerika oder Großbritannien anbieten«, sagte er. »Selbst das britische Empire kann der Luftwaffe nicht mehr lange standhalten. Ich habe Freunde unter den Soldaten. Noch ein paar Monate und Großbritannien wird um einen Waffenstillstand nachsuchen. Ich vermute, das Land wird fallen. Wenn das Empire erst kapituliert hat, braucht Deutschland die Einmischung der Amerikaner nicht mehr zu fürchten. Das wäre der Triumph des Bösen, meine Lieben.«
    Er entschuldigte sich, weil er so melodramatisch gesprochen habe. »Aber dies sind melodramatische Zeiten. Die Ironie dabei«, fuhr er fort, »ist die, dass sich das, was Sie suchen, schon in Bek befindet.«
    »Aber Bek wird viel zu schwer bewacht, als dass wir es angreifen könnten«, sagte Oona.
    »Was suchen wir denn?«, fragte ich müde. »Einen Stab? Einen Becher? Gibt es nicht einen Ersatz, der ebenfalls ausreichen würde?«
    »Es sind einzigartige Objekte«, erklärte Prinz Lobkowitz. »Sie nehmen unterschiedliche Gestalten an. Sie haben gewissermaßen einen eigenen Willen, auch wenn es kein Bewusstsein in unserem Sinne ist. Eins der Objekte könnte man als den Heiligen Gral bezeichnen. Ihrer Familie war seine Bewachung einst

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