Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
Vom Netzwerk:
»Dies hier«, erklärte sie beinahe missbilligend, »ist nicht mein natürliches Element.«
    »Wohin sind sie gegangen?«, fragte ich. »Haben Sie noch ihre Witterung, Lady Oona?«
    »Mehr als genug davon«, erwiderte sie. Sie ließ sich auf ein Knie nieder und machte eine rasche Bewegung mit der linken Hand, als wollte sie ein Fenster frei wischen. Die Geste enthüllte eine helle, sonnenbeschienene Szenerie. »Schauen Sie her!«
    Es war ein Bild, das ich sofort erkannte.
    Ich keuchte und beugte mich vor und wollte dieses Loch im Nebel mit Händen greifen. Ich hatte das Gefühl, mir wäre meine Kindheit zurückgegeben worden. Doch sie hielt mich zurück. »Ich weiß«, sagte sie. »Es ist Bek. Aber ich glaube nicht, dass dort Ihre Rettung liegt, Graf Ulric.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Sie drehte sich nach rechts und wischte einen neuen Flecken im Dunst frei. Dort herrschte roter und schwarzer Aufruhr. Tierköpfige Männer und Tiere mit Menschenköpfen waren in einen blutigen Krieg verstrickt. Aufgewühlter Schlamm, so weit das Auge reichte. Am Horizont die gezackten Konturen einer Stadt mit hohen Türmen. Der Stadt entgegen ritt triumphierend Prinz Gaynor von Minct - derjenige, der einst Gaynor der Verdammte genannt werden sollte.
    Dieses Mal beugte Elric sich vor. Er erkannte die Stadt. Sie war ihm so vertraut, wie es Bek für mich war. Auch mir war sie jetzt, da unsere Erinnerungen und Geister sich verbunden hatten, nicht mehr unbekannt. Es war Imrryr, die Träumende Stadt, die Hauptstadt von Melnibone\ die Insel der Drachenherren. Flammen züngelten wie Fahnen aus den höchsten Fenstern der Türme.
    Ich sah mich um. Bek war noch dort. Die sanften grünen Hügel, die dichten, heimeligen Wälder, die alten Steine des Wehrhofs. Aber jetzt bemerkte ich, dass Stacheldraht um die Mauern gespannt war. An den Toren waren Maschinengewehre aufgestellt, Wachhunde beobachteten das Gelände. Überall SS-Uniformen. Ein großer Mercedes, eine Offizierslimousine, fuhr ins Bild und wurde mit hoher Geschwindigkeit über die Straße gelenkt, die zu meinem alten Heim führte. Am Steuer saß Klosterheim. »Wie …«, setzte ich an.
    »Ganz richtig«, sagte Oona. »Zu viele Fährten, wie ich schon sagte. Er hat zwei Wege beschritten und befindet sich jetzt in zwei Welten. Er hat mehr gelernt als die meisten je über die zeitlose Unendlichkeit des Multiversums erfahren werden. Er kämpft an mindestens zwei Fronten gleichzeitig. Das könnte andererseits auch seine Schwäche sein …«
    »Im Augenblick ist es wohl eher seine Stärke«, warf Elric mit gewohnt trockener Ironie ein. »Er bricht alle Regeln, das ist das Geheimnis seiner Kraft. Aber wenn die Regeln bedeutungslos geworden sind…«
    »Hat er schon gesiegt?«
    »Nicht überall«, erklärte Oona. Doch es war klar, dass sie nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Elric übernahm die Initiative.
    »Er ist an zwei Orten zugleich - das können wir auch. Wir haben jetzt zwei Schwerter und ein Schwert kann das andere rufen. Ich muss Gaynor nach Melnibone« folgen, du folgst ihm nach Bek.«
    »Wie können Sie diese Orte sehen?«, fragte ich Oona. »Wie können Sie die Ansicht auswählen?«
    »Einfach indem ich es will?« Sie schlug die Augen nieder. »Das Warum erfahren wir nicht«, sagte sie. »Was ist, wenn der Nebelgrund vom Willen und der Phantasie der Sterblichen und Unsterblichen erschaffen wird? Was die Menschen am meisten ersehnen und am stärksten fürchten, wird hier in eine Form gegossen, immer wieder neu erschaffen. Durch die außergewöhnliche Macht der menschlichen Erinnerungen und Begierden.«
    »Erschaffen und wiedererschaffen bis in alle Ewigkeit«, ergänzte Elric. Er legte die behandschuhte Hand auf den Knauf seiner Runenklinge. »Aber immer ein wenig verändert. Manchmal sogar stark verändert. Erinnerungen und Begierden, veränderte Erinnerungen, veränderte Gelüste. Das Multiversum dehnt sich unablässig aus, es wächst wie die Adern in einem Blatt und die Äste eines Baumes.«
    »Wir dürfen nicht vergessen«, fügte Oona hinzu, »dass Gaynor genug Macht in Händen hat, um fast jede gewünschte Realität erschaffen zu können. Die Macht des Grals, der eigentlich Ihnen zusteht und den Sie schützen müssen, ohne seine Kräfte jemals unmittelbar einzusetzen.«
    Trotz der bizarren Begleitumstände unserer Unterhaltung musste ich lachen. »Der eigentlich mir zusteht? Ich würde doch meinen, dass eine solche Macht einem Christus oder Gott zustünde, falls es einen

Weitere Kostenlose Bücher