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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Regierung der Geschichte sein, die auf wissenschaftlicher Grundlage die alten Naturgesetze zur Geltung bringt«, sagte er. »Das, was manche herabsetzend als ›Magie‹ bezeichnen. Es ist unsere Bestimmung, diese vernachlässigten Disziplinen und Fähigkeiten wieder ins alltägliche Leben Deutschlands einzuführen.«
    »Genau, mein Führer«, warf Hess strahlend ein, als wollte er einen herausragenden Schüler loben. »Die alten Wissenschaften. Die wahre Wissenschaft. Die vorchristliche, germanische Wissenschaft, die von jeder Art südländischer Dekadenz unbeeinflusst war. Eine Wissenschaft, die auf unseren Glauben aufbaut und die allein durch die Macht des menschlichen Willens gelenkt werden kann!«
    All dies hörte ich wie aus großer Ferne, während die Lebenskraft mich verließ.
    »Nichts wird mich überzeugen, Oberst von Minct«, sagte Hitler mit plötzlicher Kälte, als wollte er die Initiative an sich reißen, »solange Sie mich nicht von der Macht des Grals überzeugt haben. Ich muss wissen, dass Sie den Gral wirklich besitzen. Wenn es der echte Gral ist, dann muss er die Macht bewahren, von der alle Legenden erzählen.«
    »Natürlich, mein Führer. Das jungfräuliche Blut soll den Kelch zum Leben erwecken. Von Bek liegt bereits im Sterben. Nicht mehr lange - und er ist endgültig tot. Mit dem Gral werde ich ihn zum Leben wiedererwecken, damit Sie ihn noch einmal nach Belieben töten können.«
    Hitler machte eine herablassende Geste. Eine unappetitliche Notwendigkeit, mehr war es nicht. »Wir müssen wissen, ob der Gral die Macht hat, den Toten das Leben zurückzugeben. Sobald dieser Mann tot ist, werden wir ihn dem Einfluss des Grals aussetzen. Ist es der echte Gral, dann wird der Mann ins Leben zurückkehren und vielleicht sogar unsterblich sein. Wenn die Macht dann so gelenkt werden kann, dass sie unserer Luftflotte hilft, die Briten zu schlagen, umso besser. Aber ich werde dies nur glauben, wenn seine berühmteste Eigenschaft hier demonstriert wird. Bisher aber, Oberst, haben Sie uns noch nicht einmal den Gral gezeigt.«
    Gaynor legte Griff an Griff das weiße Schwert neben das schwarze auf den Steinaltar.
    »Und der Kelch?«, fragte Göring, sich die Autorität seines Herrn anmaßend.
    »Der Gral nimmt viele Gestalten an«, erklärte Gaynor. »Nicht immer die eines Kelches. Manchmal auch die eines Stabes.«
    Reichsmarschall Göring, der die reich geschmückte blaue Uniform der Luftwaffe trug, präsentierte seinen Marschallstab. Er war mit kostbaren Steinen besetzt und sah aus, als wäre er zusammen mit der Uniform von einem Kostümbildner hergestellt worden. »Wie dieser hier?«
    »Sehr ähnlich, Euer Exzellenz.«
    Ich verlor ein paar Augenblicke lang das Bewusstsein. Stück für Stück verließ mein Geist den Körper. Ich klammerte mich mit aller Kraft ans Leben und hoffte, in letzter Sekunde doch noch einen Weg zu finden, um Oona zu helfen. Ich wusste, dass mir nur noch Minuten blieben. Ich wollte sprechen und verlangen, dass Gaynor Oona verschonte, ich wollte erklären, dass dieses Ritual, dieses Jungfrauenopfer, ein barbarisches, bestialisches Unterfangen sei, aber ich hätte doch nur zu barbarischen, bestialischen Männern gesprochen, die sich für eine gemeine Sache einsetzten. Der Tod rief mich, schien mein einziger Ausweg aus all den Schrecken zu sein. Erst jetzt erkannte ich, wie leicht es doch dazu kommen kann, dass man sich nach dem Tod sehnt.
    »Sie haben uns immer noch nicht den Gral gezeigt, Oberst von Minct.« Göring sprach mit präzisen Worten, höhnisch. Offenbar hielt er die ganze Sache für Unsinn. Aber weder er noch ein anderer der obersten Nazis wagte es, Hitler gegenüber offene Skepsis zu zeigen, da Hitler offensichtlich bereit war, daran zu glauben. Hitler brauchte die Bestätigung, im Sinne seiner eigenen Bestimmung zu handeln. Er hatte sich selbst häufig mit Friedrich dem Großen verglichen oder sich als neuen Barbarossa oder neuen Karl den Großen betrachtet, doch seine ganze Laufbahn war auf Drohung, Lüge und Manipulation aufgebaut. Er wusste nicht mehr, wie er wirkte und was er darstellte. Doch falls diese alten Objekte germanischer Macht auf ihn ansprachen, wäre bewiesen, dass er tatsächlich der sagenhafte, neu verkörperte Erlöser Deutschlands war. Offenbar war er selbst nicht immer völlig davon überzeugt. All seine Handlungen wurden von seinem Wunsch bestimmt, diese Bestätigung zu finden.
    Plötzlich, als hätte er bemerkt, dass ich ihn ansah, drehte Hitler

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