Tochter Der Traumdiebe
kreischende schwarze Schwert in meine Richtung und packte mit beiden Händen die Elfenbeinklinge. Dieses Mal würde er Oona den Garaus machen.
Die schwarze Klinge erreichte mich nicht. Genau genommen bewegte sie sich fast überhaupt nicht. Sie schwebte gerade lange genug in der Luft, dass Oona die Fesseln heben und durchschneiden und sich vor Gaynor in Sicherheit bringen konnte, während dieser noch an seinem Gürtel nestelte. Ich war erstaunt, wie zielstrebig und bewusst die Klinge sich verhielt.
Unter lautem Rufen und Scharren hatten sich Hitler und seine Leute bereits hinter die SS-Wächter zurückgezogen, die inzwischen mindestens zwanzig leistungsfähige moderne Maschinenpistolen auf Elric richteten, während dieser zum Altar unterwegs war. Er achtete nicht auf die Gefahr. Er sah die Nazis überhaupt nicht, als bewegte er sich in einem Traum. Die fremden und doch attraktiven Gesichtszüge waren zu einem harten, wilden Grinsen verzerrt. Sobald er sich vergewissert hatte, dass Oona nicht mehr unmittelbar gefährdet war, richtete er die Aufmerksamkeit wieder auf Gaynor.
Das Elfenbeinschwert summte und bockte, als wollte es sich ebenfalls weigern zu töten. Ich fragte mich, ob die Schwerter bewusste Geschöpfe waren oder ob jemand anders sie steuerte.
Das so genannte Schwert Karls des Großen schien freilich eher bereit, sich Gaynors Willen zu fügen. Er stach einmal und ein weiteres Mal nach Oona, die sich noch bemühte, die Fußfesseln zu lösen. Doch das Schwert wollte sich am Ende doch nicht ganz und gar unterwerfen und die Hiebe gingen ins Leere. Mit verzerrtem Mund begann Gaynor schließlich in einer wilden, geheimnisvollen Sprache zu sprechen und die Hilfe des Chaos anzurufen.
Doch es kam keine Hilfe.
Gaynor hatte keine Zeit gehabt, seinen Teil des Handels zu erfüllen.
Elric schoss jetzt vor, schnell wie eine Schlange. Die schwarze Klinge hielt die weiße auf.
»Es macht keine Freude, einen Feigling zu töten«, sagte er zu Gaynor. »Doch wenn es sein muss, werde ich meine Pflicht tun.«
Ein Halbkreis, gezeichnet aus Schwärze und roten Runen.
Ein silberner Halbmond. Elrics Schwert traf die Elfenbeinklinge. Jedes Mal, wenn die Schwerter sich trafen, schrien beide Klingen gequält auf.
Noch einmal wurde das schwarze Schwert geschwungen. Mit einem dumpfen, flachen Ton traf es Gaynors Waffe. Die Elfenbeinklinge brach und zerkrümelte wie verrottetes Holz, löste sich in Gaynors Händen auf.
Gaynor fluchte und warf den Stummel weg. Das Ding war ohnehin eine Art Fälschung gewesen, ein Objekt mit unklarer Herkunft. Gaynor entfernte sich mit einem raschen Sprung vom Altar und wollte eine Waffe von der Wand nehmen. Doch die Waffen hingen schon seit Jahren dort und waren buchstäblich festgerostet. Er schrie die SS-Männer an, Elric zu töten, doch die Wächter konnten nicht feuern, ohne Gaynor oder Klosterheim zu treffen, der gerade die eigene Pistole auf Elric richtete. Der dämonische Schwertkämpfer lächelte und flüsterte nur ein einziges Wort.
Rabenbrand stürzte sich auf den ehemaligen Diener Satans. Klosterheim riss den Mund auf. Er wusste nur zu genau, was geschehen würde, wenn die Klinge ihn erreichte. Er kreischte lateinische Worte. Nur wenige unter uns konnten ihn verstehen. Gewiss nicht das Schwert, das ihn nur knapp verfehlte.
Klosterheim warf sich zu Boden und Gaynor folgte seinem Beispiel. Sofort begannen die Maschinenpistolen zu knattern und die Kugeln und die ausgeworfenen leeren Hülsen prallten von den Steinwänden ab und flogen kreuz und quer durch den großen Raum.
Elric lachte sein wildes Lachen und wich wie durch Zauberkraft ihren Kugeln aus, dann duckte er sich hinter den Altar und vergewisserte sich, dass seiner Tochter nichts geschehen war.
Sie lächelte kurz, um ihn zu beruhigen, und rannte aus der Deckung zu mir herüber. Ich lag dicht an der Wand. Sie hatte Gaynors rasiermesserscharfen Nazidolch in der Hand. Rasch schnitt sie meine Fesseln durch.
Auf einmal lag Rabenbrand fest in meiner Hand und lenkte die Kugeln ab, als die Wächter, ihre kostbaren Anführer hinter sich deckend, auf mich zu feuern begannen. Hitler zog sich mit seiner Bande eilig durch die zerstörte Haupttür zurück.
Neue Kraft durchflutete mich. Ich lachte jetzt auch. Furchtlos und belustigt betrachtete ich Klosterheim. Elric griff bereits Gaynor an. Oona hatte nur Gaynors Dolch als Waffe, doch sie duckte sich hinter den Altar, als uns die Kugeln um die Ohren flogen. Trotz der wilden Schießerei
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