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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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den Kopf zu mir herum. Unsere Blicke trafen sich kurz. Starre, hypnotisierende Augen hatte er, die eine entsetzliche Schwäche verrieten. Ich hatte diesen Blick bei mehr als einem Besessenen gesehen. Hitler schlug die Augen nieder, als schäme er sich. In diesem Augenblick begriff ich, dass er ein Wesen war, das völlig aus dem Gleichgewicht geraten war, fasziniert von seinem eigenen Glück, nachdem er aus dem Nichts aufgestiegen war und erfolgreich gegen die Bedeutungslosigkeit angekämpft hatte.
    Ich wusste, dass er die Welt zerstören konnte.
    Durch die Schleier des Todes sah ich sie Oona auf den Altar werfen. Gaynor hob die beiden Schwerter, eines in jeder Hand.
    Die Schwerter senkten sich. Oona leistete Widerstand, wollte sich vom Granitblock wälzen.
    Ich weiß noch, wie ich im letzten Augenblick, bevor ich ohnmächtig wurde, dachte: Wo ist der Kelch?
    Mein innerer Aufruhr wurde durch das Wissen, dass sich genau diese oder eine ihr entsprechende Szene gleichzeitig auf allen Ebenen des Daseins abspielte, nicht gelindert. Eine Milliarde Versionen meiner selbst, eine Milliarde Versionen von Oona, alle starben im gleichen Augenblick eines gewaltsamen Todes.
    Sie starben, damit ein Irrer das Multiversum zerstören konnte.

21. Verborgene Werte
     
    Ich hätte nicht erwartet, noch einmal das Bewusstsein zu erlangen. Irgendwo in mir spürte ich verschiedene Kräfte miteinander ringen, während am Altar eine gewisse Unruhe entstand. Einen Augenblick lang erlag ich sogar der Täuschung, ich stünde in der Tür der Waffenkammer und hätte das Schwarze Schwert in der Hand. So gerüstet, rief ich Gaynors Namen, um ihn zum Zweikampf zu fordern.
    »Gaynor! Du willst meine Tochter umbringen! Zweifellos verstehst du, dass mich dies sehr erzürnt.«
    Ich zwang mich, den Kopf zu heben. Langsam öffnete ich die Augen.
    Rabenbrand heulte. Die Klinge strahlte ihre düstere Kraft aus. Rote Runen bildeten rasch wechselnde Muster auf der Schneide. Die Klinge schwebte über Oona und weigerte sich, Gaynors Befehl zu gehorchen. Die Runenklinge bebte und wand sich in seiner Hand und wollte sich losreißen. Sturmbringer dürstete danach zu töten, aber Rabenbrand war nicht fähig, unschuldige Menschen zu töten. Die Vorstellung, Oona zu verletzen, war der Klinge zuwider. Die halb bewusste Waffe ließ es nicht zu, dass eine Unschuldige verletzt wurde. In dieser Hinsicht unterschied sich die Waffe von Elrics Sturmbringer, der den Neigungen des Melnibonöers viel besser entsprach.
    Gaynor knurrte. Das Licht der Schwerter und Fackeln verzerrte die Gesichter der Zuschauer zu grotesken Fratzen wie auf einem Bild von Bosch. Köpfe wurden erstaunt herumgedreht, als der Mann in der zertrümmerten Tür auftauchte, ein gleiches schwarzes Schwert in der rechten Hand, hinter ihm verstreut liegende Leichen in braunen Hemden. Auf der schwarzen Klinge pulsierten rote Symbole. Er trug eine verkratzte Rüstung und blutgetränkte Seidenwäsche. Aus den Wolfsaugen leuchtete die Lust zu töten. Er musste schon einige Schlachten im Alleingang geschlagen haben, doch Sturmbringer lag immer noch in der blutigen Faust und Elrics Gesicht verriet, dass er Millionen Tote gesehen hatte.
    »Gaynor!« Es war meine eigene Stimme. »Du rennst wie ein Schakal und versteckst dich wie eine Schlange. Willst du dich mir hier stellen, an diesem heiligen Ort der Kraft? Oder wirst du wie üblich in die Schatten davonhuschen?«
    Langsame Schritte, die Müdigkeit von Jahrhunderten. Mein Doppelgänger betrat die Waffenkammer. Trotz seiner Erschöpfung strahlte er eine Kraft aus, einen Glanz, dem die angeblich so charismatischen Geschöpfe der Nazi-Elite nichts entgegensetzen konnten. Hier war ein wirklicher Halbgott, er war das, was sie zu sein vorgaben. Er war alles, was sie sein wollten, weil er allein einen Preis bezahlt hatte, den nicht einer unter ihnen sich auch nur vorstellen konnte zu zahlen. Er hatte solche Schrecken gesehen und sich gegen so großes Entsetzen behauptet, dass er nicht zu erschüttern war.
    Fast nicht.
    Es sei denn, ein anderes Geschöpf war bedroht. Jemand, dem er trotz aller seiner komplizierten und widersprüchlichen Gefühle seine Liebe geschenkt hatte. Eine Liebe, für die die meisten Melnibonöer nicht das geringste Verständnis hätten. Schweren, gemessenen Schrittes kam er zum Altar.
    Gaynor wollte erneut mit Rabenbrand nach Oonas Herz stechen, doch das Schwert sträubte sich noch heftiger als zuvor.
    Gaynor stieß einen wütenden Fluch aus, warf das

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