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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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großes Schicksal vorherbestimmt ist, Herr El?«
    »Ganz im Gegenteil glaube ich, dass die Welt hin und wieder ein Ungeheuer hervorbringt, das entweder ihre besten oder ihre schlimmsten Begierden repräsentiert. Hin und wieder gerät das Ungeheuer außer Kontrolle und es liegt bei einigen von uns, wie man sie auch nennen mag, gegen das Ungeheuer zu kämpfen und zu zeigen, dass es verletzt, wenn nicht gar vernichtet werden kann. Nicht jeder benutzt Pistolen oder Schwerter. Manche benutzen auch Worte und die Wahlurne. Aber manchmal ist das Ergebnis doch das Gleiche. Denn am Ende sind es immer die Motive der Anführer, die die Öffentlichkeit genau prüfen muss. Zu gegebener Zeit wird genau dies in jeder reifen Demokratie geschehen. Doch wenn die Menschen verängstigt und eingeschüchtert sind, macht sich Heuchelei breit und der Staat verhält sich nicht mehr wie eine reife Demokratie. In solchen Augenblicken wittern Leute wie Hitler ihre Chance. Nicht lange, und die Öffentlichkeit beginnt zu erfassen, wie wenig seine Taten und Worte ihren Interessen dienen - und seine Wahlergebnisse werden schlechter, während er endgültig nach der Macht greifen will. Mit etwas Glück und Gerissenheit sieht er sich plötzlich an der Spitze einer großen, zivilisierten Nation, die noch nicht die wahre Brutalität des Krieges begriffen hat und die den Wunsch hatte, diese Realität nie wieder sehen zu müssen. Ich glaube, Hitler repräsentiert die dämonischen Aggressionen einer Nation, die an ihren eigenen Glaubenssätzen erstickt.«
    »Und wer repräsentiert dann die engelhaften Qualitäten dieser Nation, Herr El? Die Kommunisten etwa?«
    »Überwiegend sind es die unsichtbaren Menschen«, antwortete er ernst. »Die ganz alltäglichen Helden und Heldinnen in diesen entsetzlichen Konflikten zwischen korruptem Chaos und pervertierter Ordnung, während das Multiversum ermüdet und seine Bewohner weder den Willen noch die Mittel haben, ihm bei der Erneuerung zu helfen.«
    »Düstere Aussichten«, sagte ich recht fröhlich. Ich verstand die philosophische Aussage und freute mich darauf, bei einem oder zwei Gläsern Punsch weiter darüber zu streiten. Auf einmal war ich guter Dinge und schlug vor, dass wir vielleicht heimlich ins Haus schleichen und die Vorhänge zuziehen könnten, bevor meine Leute die Lampen ansteckten.
    Er sah sich zur bleichen jungen ›Diana‹ um, die immer noch ihre dunkle Brille trug. Sie schien zuzustimmen. Ich führte sie die Treppe hinauf zur Veranda und von dort aus durch eine Fenstertür in mein Studierzimmer. Dort zog ich die schweren Vorhänge vor und zündete die Öllampe auf dem Schreibtisch an. Meine Besucher betrachteten neugierig die voll gestopften Bücherregale, die herumliegenden Dokumente, Karten und Folianten, die jede freie Ablagefläche einnahmen. Das Licht der Lampe tauchte alles in einen goldenen, warmen Schein und warf tiefe Schatten, als meine Gäste von Regal zu Regal wanderten. Es war, als hätten sie schon lange keine Bücher mehr lesen dürfen. Beinahe gierig griffen sie nach Werken, die ihre Neugierde erregten, und ich kam mir seltsam tugendhaft vor, weil ich die Hungernden gespeist hatte. Doch noch während sie meine Bücher durchsahen, stellten sie mir weitere Fragen zu ganz verschiedenen Themen, als wollten sie die Grenzen meiner intellektuellen Fähigkeiten ausloten. Schließlich schienen sie zufrieden zu sein. Sie fragten, ob sie Rabenbrand sehen könnten. Ich wollte mich erst weigern, so eifersüchtig wachte ich inzwischen über meinen Schatz. Doch ich war mir ihrer Aufrichtigkeit sicher. Sie waren keine Feinde und wollten mir nichts Böses.
    So überwand ich meine Angst vor Verrat und führte die Besucher hinunter in die Gänge und Keller, die tief unter den Fundamenten angelegt waren und die sich, wie alte Geschichten wissen wollten, bis weit in geheimnisvolle Reiche erstreckten. Die geheimnisvollste Region, die ich bislang entdeckt hatte, war eine Höhle aus gewachsenem Fels, kalt und ungewöhnlich trocken, in der ich unser ältestes Erbstück, die Rabenklinge, vergraben hatte. Ich bückte mich und zog die Steine weg, die einen Teil der Wand zu bilden schienen, um ins Loch dahinter zu greifen und die Kiste hervorzuholen, die ich dort versteckt hatte. Ich legte sie auf den alten Kartentisch in der Mitte der Höhle und nahm den Schlüssel von meinem Schlüsselbund, um den Kasten aufzusperren.
    Als ich den Deckel aufklappte, um den Gästen das Schwert zu zeigen, ließ ein

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