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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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unerwarteter, eigenartiger Luftzug die Klinge murmeln und singen wie einen alten Mann, der senile Worte plappert. Vorübergehend war ich nicht vom Licht, sondern von einer Schwärze geblendet, die von der Klinge auszustrahlen schien. Dann verschwand der Eindruck und ich blinzelte, als ich unmittelbar vor der Wand eine weitere Gestalt bemerkte. Eine Gestalt, die exakt von meiner Größe und Statur war. Das weiße Gesicht starrte mich an, die roten Augen funkelten in einer Mischung aus Zorn und vielleicht auch intelligentem Spott. Dann verschwand die Erscheinung wieder und ich griff in die Kiste, um das große Zweihandschwert, das doch mit einer Hand geführt werden konnte, herauszunehmen. Ich bot es Herrn El mit dem Griff voran an, aber er wehrte entschieden ab, fast als habe er Angst, die Waffe zu berühren. Auch die Frau blieb auf Abstand. Ein paar Augenblicke später schloss ich den Kasten wieder und verstaute ihn hinter der Wand.
    »Die Klinge scheint sich in der Gesellschaft fremder Menschen etwas seltsam zu benehmen«, sagte ich. Es sollte wie ein Scherz klingen und mir helfen, die Verunsicherung zu überwinden, auch wenn ich nicht einmal genau sagen konnte, was überhaupt geschehen war. Ich mochte nicht glauben, dass das Schwert übernatürliche Kräfte besaß. Das Übernatürliche und ich, wir begegneten uns bestenfalls einmal in der Woche und in der Gesellschaft anderer Menschen, wenn wir beim Pastor im Ort eine ordentliche Predigt hörten. Ich begann mich zu fragen, ob die beiden Besucher mich auf irgendeine Weise hereingelegt hatten, aber ich machte bei ihnen keinerlei Belustigung oder Heimlichkeit aus. Sie hatten sich der Klinge nicht einmal nähern wollen, sie teilten meine Furcht vor der seltsamen Waffe.
    »Es ist das Schwarze Schwert«, erklärte Herr El der Jägerin. »Bald werden wir herausfinden, ob die Klinge immer noch eine Seele hat.«
    Darauf runzelte ich wohl die Stirn und ich glaube, er lächelte. »Das kommt Ihnen wahrscheinlich abwegig vor, Graf Ulric. Ich muss mich entschuldigen. Ich bin so sehr daran gewöhnt, in Metaphern zu sprechen, dass ich manchmal die gewöhnliche Sprache vergesse.«
    »Ich habe schon viele Behauptungen über das Schwert gehört«, erwiderte ich. »Nicht zuletzt von einem Angehörigen der Familie, die das Schwert geschmiedet hat. Kennen Sie die von Asch?«
    »Ich weiß, dass es Schmiede sind. Lebt die Familie noch hier in Bek?«
    »Der alte Mann ist kurz vor Ausbruch des Krieges fortgegangen«, sagte ich. »Er wollte sich auf eine wichtige Reise begeben.«
    »Haben Sie denn keine Fragen gestellt?«
    »Das ist nicht meine Art.«
    Dies verstand er. Wir verließen die Höhlenkammer und stiegen die gewundene schmale Treppe hinauf, über die wir einen Flur und von dort aus eine Tür und eine weitere Treppe erreichen konnten. Wenn wir Glück hatten, würde die Luft dort oben leichter zu atmen sein.
    Ich kam mir beinahe vor wie in einem melodramatischen Stück von Wagner und war froh, wieder im Studierzimmer zu sein, wo meine Gäste abermals die Bücher durchsahen und die eigenartige Unterhaltung fortsetzten. Unhöflich waren sie gewiss nicht, nur äußerst neugierig. Zweifellos war es ihre Neugierde, die sie in diese Lage gebracht hatte. Dies und ein Mitgefühl, das ich mit ihnen teilte. Herr El war beeindruckt, in meinem Bücherregal eine Erstausgabe von Grimmelshausen zu entdecken. Der Simplizissimus sei eines seiner Lieblingsbücher, sagte er. Ob ich mit dieser Periode vertraut sei?
    So gut wie mit jeder anderen, erwiderte ich. Die Beks hatten ihre Treuegelübde offenbar ebenso häufig durch neue ersetzt wie alle anderen Familien im Dreißigjährigen Krieg. Ursprünglich für die Sache der Protestanten angetreten, hatten wir immer wieder Seite an Seite mit den Katholiken gekämpft. Aber vielleicht lag das im Wesen des Krieges.
    Er sagte, er hätte ein Gerücht gehört, dass mein Namensvetter einen Bericht über diese Zeiten verfasst habe. Es gebe Aufzeichnungen in einem gewissen Kloster, in denen darauf Bezug genommen werde. Ob sich eine Version davon in meinem Besitz befinde?
    Ich antwortete ihm, ich hätte noch nie davon gehört. Die berühmtesten mir bekannten Memoiren waren die Erfindungen meines Vorfahren Manfred - ein Taugenichts, der behauptete, er wäre mit dem Ballon in ferne Länder gefahren und hätte übersinnliche Abenteuer erlebt. Es war der ganzen Familie peinlich. Soweit ich mich erinnerte, gab es noch ein Exemplar des Berichts in schlechtem Englisch,

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