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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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sich ein gewisses Objekt, das dem Staat gehört, in Ihrem Besitz befindet. Mein Befehl lautet, den Gegenstand von Ihnen in Empfang zu nehmen oder Sie für dessen Verbleib zur Verantwortung zu ziehen. Wenn er beispielsweise verloren wurde, werden Sie allein dafür verantwortlich gemacht, dass Sie Ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkamen. Glauben Sie mir, mein Herr, wir haben wirklich nicht die Absicht, Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Diese Angelegenheit kann rasch zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden.«
    »Ich gebe Ihnen ein Erbstück meiner Familie, sonst verhaften Sie mich?«
    »Sie werden sicher begreifen, Herr Graf, dass wir am Ende doch Erfolg haben werden. Würden Sie lieber hinter dem Stacheldraht eines Konzentrationslagers oder in ihrem behaglichen Heim zu dieser Schlussfolgerung kommen?«
    Seine Drohungen und sein Sarkasmus ließen mich die Geduld verlieren. »Ich glaube, im Lager wäre ich wohl in besserer Gesellschaft«, antwortete ich.
    Und so wurde ich noch vor dem Frühstück verhaftet, in Handschellen gelegt und in den Bus gesetzt, dessen harte Sitze mich immer wieder abzuschütteln drohten, während wir über die alte Straße aus Bek herausholperten. Kein Gebrüll, keine lautstarken Gewaltandrohungen. Keine Flüche. Einfach nur ein rascher Ortswechsel. In einem Augenblick war ich noch frei und Herr meines eigenen Schicksals, im nächsten war ich ein Gefangener, der nicht mehr über sich bestimmen konnte. Diese Realität wurde mir rasch bewusst, noch bevor der Lieferwagen anhielt. Nicht besonders höflich wurde mir befohlen, in eine Art kalten Innenhof zu treten. Ein altes Schloss vielleicht? Eine Anlage, die sie in ein Gefängnis verwandelt hatten? Die Mauern und das Pflaster befanden sich in schlechtem Zustand, anscheinend war das Gelände schon seit einigen Jahren verlassen gewesen. Auf der Mauerkrone war neuer Stacheldraht gespannt, ein paar behelfsmäßig überdachte MG-Stände waren eingerichtet worden. Obwohl mich die Beine anfangs kaum tragen wollten, wurde ich durch einen Bogengang und eine Reihe anderer schmutziger Gänge gestoßen, bis ich ein großes Gelände erreichte, auf dem zahlreiche primitive Baracken standen, die während des Krieges für Flüchtlinge errichtet worden waren. Ich erkannte, dass man mich in ein recht großes Konzentrationslager gebracht hatte, wahrscheinlich dasjenige, das Bek am nächsten lag. Ich hatte keine Ahnung, wie es hieß, bis ich durch eine weitere Tür gestoßen wurde, zurück ins Hauptgebäude, wo ich vor einer Art Empfangsoffizier antreten musste, dem die Situation sichtlich peinlich war. Immerhin trug ich meine Armeeuniform samt Ehrenabzeichen und war offensichtlich weder ein politischer Agitator noch ein ausländischer Spion. Ich war entschlossen, sie mit diesen Symbolen zu konfrontieren, die zumindest in meinen Augen die Absurdität ihres Regimes verdeutlichten.
    Wie es schien, warf man mir politische Aktivitäten vor, die das Eigentum und die Sicherheit des Staates gefährdeten. Deshalb habe man mich in ›Schutzhaft‹ genommen. Mir wurde kein Verbrechen vorgeworfen und ich durfte mich nicht verteidigen. Letzteres wäre aber ohnehin sinnlos gewesen.
    Alle Beteiligten wussten ganz genau, dass diese Darbietung das reinste Schmierentheater war, denn die Nazis herrschten im Namen von Gesetzen, die sie selbst öffentlich geschmäht hatten, genau wie sie die Prinzipien der christlichen Religion und aller ihrer Leitsätze verraten hatten.
    Ich durfte die Uniform anbehalten, musste aber alles lederne Zubehör abliefern. Dann wurde ich tiefer ins Gebäude in einen kleinen Raum geführt, der einer Mönchsklause ähnelte. Dort, so sagte man mir, würde ich bleiben, bis ich weiter verhört würde.
    Ich hatte eine Ahnung, dass dieses Verhör erheblich unangenehmer verlaufen würde als das Gespräch mit Prinz Gaynor und der Gestapo.

4. Leben im Lager
     
    Bessere Autoren, als ich es bin, haben größere Schrecken und Qualen erlebt, als ich sie in diesen Lagern sah. Verglichen etwa mit dem armen Herrn Feldmann, mit dem ich während eines ›Engpasses‹, als die Gestapo und die SA-Schlägertrupps mehr zu tun hatten als sonst, die Zelle teilen musste, war mein Fall beinahe harmlos.
    Natürlich verlor ich schon am ersten Tag meine Uniform. Mir wurde befohlen zu duschen, und danach fand ich keine andere Kleidung als die schwarzweiß gestreifte Gefängniskleidung, die mir viel zu klein war. Auf den Stoff war ein rotes Dreieck genäht, was bedeutete,

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