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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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schien über die Antwort erfreut und nickte leicht. »Das entspricht in etwa dem, was wir alle denken«, stimmte er zu. »Und wir können den Menschen helfen zu fliehen. Was könnten Sie in dieser Hinsicht beitragen, Graf Ulric?«
    »Ich könnte mein Haus anbieten. Es gibt viele verborgene Winkel. Ich könnte Menschen verstecken. Wahrscheinlich könnte ich auch ein Funkgerät verstecken. Offenbar können wir Menschen nach Polen und nach Hamburg bringen. Wir sind als eine Art Durchgangslager in einer guten Position, würde ich sagen. Ich kann Ihnen nur dies anbieten, weil ich noch nicht eingeweiht bin. Wenn Sie andere Aufgaben für mich finden, werde ich Ihnen gern helfen.«
    »Das hoffe ich«, sagte er. »Als Erstes will ich Ihnen sagen, dass dieses Haus nicht sicher ist. Die Nazis haben zu großes Interesse daran. An Ihnen. Und an etwas anderem hier …«
    »An meinem alten schwarzen Schwert, denke ich.«
    »Genau. Und an einem Kelch?«
    »Glauben Sie mir, Herr El, sie haben von einem Kelch gesprochen, aber ich hatte keine Ahnung, was sie meinten. Wir haben in Bek kein legendäres Gefäß. Und wenn wir eins hätten, dann würden wir nicht verstecken, was uns zur Ehre gereicht.«
    »Wie dem auch sei«, murmelte Herr El, »ich glaube ebenfalls nicht, dass Sie den Kelch besitzen. Aber das Schwert ist wichtig. Es darf ihnen nicht in die Hände fallen.«
    »Hat es eine tiefere symbolische Bedeutung, von der ich nichts weiß?«
    »Die Bedeutungsebenen, die sich aus dieser Klinge erschließen, Graf Ulric, sind, so würde ich sagen, beinahe unendlich.«
    »Ich hörte Andeutungen, dass die Klinge eine ganz eigene Macht besitzen soll«, erklärte ich.
    »So ist es«, stimmte er zu. »Manche glauben sogar, sie hätte eine Seele.«
    Ich fand diese mystischen Einwürfe ein wenig beunruhigend und versuchte, das Thema zu wechseln. Es wurde kälter und ich begann etwas zu schaudern. »Die Besucher, die gestern kamen und heute früh wieder aufbrachen, wirkten auf mich, als könnten sie eine oder zwei Seelen gebrauchen. Die eigenen haben sie längst an die Nazis verkauft. Glauben Sie, Hitler wird sich noch lange halten? Ich vermute, die eigenen Leute werden ihn absetzen. Sie murren bereits, sie wären von ihm verraten worden.«
    »Man sollte einen Schwächling, der sein Leben lang von der Macht geträumt hat, der sie studiert und sich nach ihr gesehnt hat, nicht unterschätzen. Dass er nicht fähig ist, mit der Macht umzugehen, ist sein Unglück, aber dennoch glaubt er, die Kontrolle fiele ihm leichter, sobald er die Macht besitzt. Weil die Denkweisen solcher Menschen sich dem üblichen Verständnis entziehen, bemühen wir uns, sie als gewöhnlicher und berechenbarer darzustellen. Wir schreiben ihnen Motive und Überlegungen zu, die in Wirklichkeit doch nur unsere eigenen sind. Ihre Motive dagegen sind klar und einfach, mein lieber Graf. Sie sind wild und unzivilisiert. Es ist die nackte, primitive Gier, im Leben zu obsiegen, durch keinerlei Mitmenschlichkeit behindert und fest entschlossen, um jeden Preis zu überleben, oder, wenn wirklich keine andere Möglichkeit bleibt, dann wenigstens als Letzter zu sterben.«
    Angesichts meiner puritanischen Erziehung fand ich dies etwas melodramatisch. »Bezeichnen ihn nicht manche seiner Anhänger als Mann, dem das Glück zur Seite steht?«, fragte ich. »Aber ist er nicht einfach nur ein giftiger kleiner Straßenredner, der durch bloßes Glück zum Kanzler gemacht wurde? Sind seine Banalitäten nicht einfach die gleichen, die man im Kopf jedes österreichischen Kleinbürgers finden kann? Ist er nicht aus genau diesem Grund so beliebt?«
    »Ich räume ein, dass man solche Vorstellungen bei jedem Ladeninhaber einer Kleinstadt finden kann, aber hier werden sie durch eine psychopathische Vision verstärkt. Selbst die Worte Jesu Christi, Graf Ulric, können auf sentimentale Banalitäten verkürzt werden. Wer könnte wahres Genie beschreiben oder auch nur erkennen? Wir dürfen nur nach Taten urteilen und nach dem, was jemand leistet. Hitlers Stärke liegt vielleicht gerade darin, dass er von Leuten unseres Standes und unserer Bildung unterschätzt wurde. So etwas geschieht nicht zum ersten Mal. Der kleine korsische Oberst schien aus dem Nichts zu kommen. Erfolgreiche Revolutionäre kündigen sich häufig als Vertreter alter Tugenden an. Die Bauern haben Lenin unterstützt, weil sie glaubten, er werde den Zaren wieder auf den Thron setzen.«
    »Dann glauben Sie also nicht, dass manchen Menschen ein

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