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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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grauenvolle Zukunft, so grausam und quälend, dass ihm jede Ablenkung willkommen war.
    »Ich glaube, Ihr Haus wurde schon mit Mikrophonen ausgestattet«, sagte er. »Und selbst wenn nicht, es ist immer klug, sich zu verhalten, als könnten die Nazis lauschen. Wir bleiben eine Weile hier draußen und wenn alles besprochen ist, können wir vielleicht immer noch ins Haus gehen und eine Erfrischung zu uns nehmen.«
    »Sie sind jederzeit willkommen.«
    Die Stimme klang überraschend hell und angenehm, er hatte einen schwachen österreichischen Akzent. Er stellte sich als Herr El vor, auch sein Händedruck war kräftig. Ich wusste, dass ich mich in der Gegenwart eines Mannes befand, mit dem man rechnen musste. Sein dunkelgrüner Umhang und der Hut waren in Deutschland eine verbreitete Kleidung, die nicht weiter auffallen würde, konnten ihn aber zugleich auch unkenntlich machen, da er nur den großen Kragen hochklappen musste, um das Gesicht zu verbergen, und lediglich die Hutkrempe ins Gesicht zu ziehen brauchte, um das, was noch zu sehen war, in Schatten zu hüllen. Er kam mir irgendwie bekannt vor. Ich war sicher, dass wir uns schon einmal begegnet waren, wahrscheinlich in Mirenburg.
    »Ich nehme an, Sie wollen mir helfen, mich der Weißen Taube anzuschließen?« Ich schlenderte mit ihnen durch die gestutzten Ziersträucher. »Um gegen Hitler zu kämpfen.«
    »Wir wollen Ihnen sicherlich helfen, gegen Hitler zu kämpfen«, erwiderte die junge Frau, »denn Ihnen, Graf Ulric, ist es bestimmt, gewisse Aufgaben in diesem Kampf zu übernehmen.«
    Auch bei ihr hatte ich den Eindruck, dass wir uns schon einmal begegnet waren. Die ungewöhnliche Kostümierung überraschte mich allerdings, denn damit würde sie meiner Ansicht nach in den Straßen einer gewöhnlichen deutschen Stadt unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Andererseits konnte man auch vermuten, dass sie an einer Art Feier oder einem Maskenball teilnehmen wolle. Waren die beiden auf dem Weg zu einer Party?
    »Vielleicht wissen Sie schon, dass mich gestern mein Vetter Gaynor besucht hat. Er hat seinen Namen eingedeutscht und nennt sich jetzt Paul von Minct. Er ist ein Nazi geworden, auch wenn er dies bestreitet.«
    »So ging es mit vielen. Gaynor glaubt, Hitler und seine Leute könnten seine eigene Macht stärken. Diejenigen, die dies so sehen wie er, verkennen dabei, in welchem Maße Hitler und seine Anhänger selbst von der Macht fasziniert sind und wie sehr sie danach streben. Sie streben mehr danach als gewöhnliche Menschen, sie denken an nichts anderes. Immer schmieden sie Pläne und Gegenpläne, immer wollen sie im Spiel einen Zug voraus sein, während die meisten anderen Menschen nicht einmal wissen, dass überhaupt ein Spiel gespielt wird.« Er sprach mit der Gewandtheit eines kosmopolitischen Wieners aus der Zeit des Kaisers Franz Josef. Für mich war er eine lebendige Reminiszenz an die gemächliche Vergangenheit, an weniger zynische Zeiten.
    Das Gesicht der jungen Frau blieb verborgen, zumal sie eine getönte Brille trug, hinter der ich die Augen nicht erkennen konnte. Es überraschte mich, dass sie überhaupt noch etwas sah, als die Dämmerung der Dunkelheit wich. Sie entschied sich, auf einer alten Steinbank Platz zu nehmen, wo sie dem letzten Lied eines Vogels lauschen wollte. Herr El und ich schlenderten weiter durch die strengen Beete und Rabatten, auf denen einige Sprossen der ersten Blumen zu sehen waren. Er stellte eher belanglose Fragen, die sich überwiegend auf meine Herkunft bezogen. Ich antwortete ihm bereitwillig, denn ich wusste, dass die Weiße Taube äußerst vorsichtig vorgehen musste. Ein einziger Informant - und sie konnten nur noch auf einen raschen Tod durch die Guillotine hoffen.
    Er fragte mich, was ich mir davon verspräche, mich ihnen anzuschließen. Ich sagte, der wichtigste Grund sei für mich, Hitler zu stürzen. Er fragte mich, ob ich glaubte, dass wir damit die Nazis loswürden, und ich musste zugeben, dass ich daran nicht glaubte.
    »Wie sollen wir dann die Nazis schlagen?«, fragte Herr El. Wir blieben unter einer unserer alten Statuen stehen, deren Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verwittert war. »Mit Maschinenpistolen? Mit bloßen Worten? Mit passivem Widerstand?«
    Es war, als wollte er es mir ausreden, mich ihnen anzuschließen, indem er mir zu verstehen gab, dass der Geheimbund wahrscheinlich keinen Erfolg haben würde.
    Ich antwortete fast ohne nachzudenken. »Aber gewiss doch durch unser Beispiel.«
    Er

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